Honigbiene sammelt Nektar an blühendem Löwenzahn
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Trotz Bienensterben: Notfallzulassung für Spritzmittel

Trotz Bienensterben: Notfallzulassung für Spritzmittel

In Bayern breitet sich die Schilf-Glasflügelzikade aus. Deshalb sind nun per Notzulassung giftige Spritzmittel, die bei Kartoffeln und Zuckerrüben bisher verboten waren, erlaubt. Naturschützer sorgen sich um die Artenvielfalt und Imker um die Bienen.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Walter Niedermeier züchtet seit fast 60 Jahren Bienen. Seinen Völkern gehe es so schlecht wie nie. Er beobachtet seit Jahren ein kontinuierliches Bienensterben. Ursachen gibt es seiner Meinung nach viele – eine davon seien Neonicotinoide. Das sind Insektengifte, die zum Großteil verboten sind.

Doch über Notfallzulassungen kommen diese Gifte jetzt auch in Bayern wieder verstärkt zum Einsatz. Imker Niedermeier ist besorgt: "Es sind ja nicht nur die Bienen betroffen, sondern es geht um viele Kleinlebewesen, die da betroffen sind."

"Anders kein wirtschaftlicher Anbau möglich"

Thomas Batz ist Landwirt in Ettling bei Ingolstadt. Hier haben sich Schilf-Glasflügelzikaden sprunghaft ausgebreitet. Sie übertragen bakterielle Krankheiten auf Kartoffeln und Rüben und gefährden die Ernte. In Bayern ist derzeit ein großer Teil der Kartoffel- und Zuckerrübenflächen von dem Schädling betroffen.

Nun hat Batz eine Sondererlaubnis erhalten, um auch mit Acetameprid zu spritzen. "Anders ist kein wirtschaftlicher Kartoffelanbau mehr möglich", erklärt er im BR-Politikmagazin Kontrovers. Rund 50 Prozent weniger Ertrag hatte der Landwirt im vergangenen Jahr. Das soll sich nicht wiederholen.

Klar ist: Das von ihm eingesetzte Mittel ist umstritten, es ist aus der Neonicotinoid-Gruppe. Batz hat selbst Bienen, daher wartet er bis zu den Abendstunden, wenn weniger Bienen fliegen. Erst dann versprüht er Acetamiprid, auch in Kombination mit anderen Mitteln. "Wir kommen nicht darum herum", betont er. "Deshalb müssen wir versuchen, alle Maßnahmen einzuhalten, um den Bienen nicht zu schaden. Und dann hoffe ich, dass nichts passiert."

"Rettet die Bienen" – und jetzt die Rolle rückwärts?

2019 sollte mit dem Bienen-Volksbegehren die Artenvielfalt gesichert werden. Über 1,7 Millionen Wahlberechtigte hatten sich 2019 eingetragen. "Rettet die Bienen" war das bislang erfolgreichste Volksbegehren in Bayern.

Die Unterstützung reichte quer durch die Gesellschaft. Politik und Landwirtschaft verpflichteten sich, die Artenvielfalt konsequent zu schützen. Ein wichtiger Aspekt: weniger Insektengifte, wie die umstrittenen Neonicotinoide. Doch was damals erkämpft wurde, wird inzwischen aufgeweicht.

Ministerium: "Auswirkungen auf Natur minimiert"

Das Bundeslandwirtschaftsministerium teilt "Kontrovers" mit, dass sich die Situation beherrschen lasse. Denn das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit stelle durch spezifische Auflagen sicher, "dass die Auswirkungen auf die Natur minimiert werden und die menschliche Gesundheit nicht gefährdet wird".

Wie wichtig das Thema ist, zeigt, dass sich auch die Kontrollbehörde EFSA der Europäischen Union mit Acetamiprid schon vor Jahren beschäftigt hat. Studien hatten auch Risiken für den Menschen gezeigt. Es gibt den Verdacht, das Mittel könne die Gehirnentwicklung von Kindern stören und Demenz fördern. In der Vergangenheit wurden die Regeln deshalb immer strenger.

BUND: Klage in Vorbereitung

Umso weniger versteht Imker Walter Niedermayer, warum ein seiner Meinung nach gefährliches Insektizid ohne Vorwarnung für die Imker aufs Feld darf. "Um unsere Nachfolgergenerationen habe ich Angst. Für die nächsten zwei Generationen wird es noch nicht so gravierend sein, aber was danach kommt, da mach' ich mir echt Sorgen."

Der Imkerverband und der BUND Naturschutz wollen nun vor Gericht ziehen. Eine Klage sei in Vorbereitung. Mit einer einstweiligen Verfügung wollen die Verbände versuchen, schon in den kommenden Wochen die Ausbringung von Neonicotinoiden zu stoppen.

Transparenzhinweis: Im Teaser des Artikels hieß es ursprünglich: "(...) Deshalb sind nun per Notzulassung hochgiftige Spritzmittel, die längst verboten waren, erlaubt". Diese Darstellung war zu verkürzt und wurde deshalb wie folgt überarbeitet: "Deshalb sind nun per Notzulassung giftige Spritzmittel, die bei Kartoffeln und Zuckerrüben bisher verboten waren, erlaubt."

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