Im April überreichten Betroffene und ihre Unterstützer die Petition dem Landtag - am Donnerstag wurde sie im Landtag verhandelt
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Im April überreichten Betroffene und ihre Unterstützer die Petition dem Landtag - am Donnerstag wurde sie im Landtag verhandelt
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Im April überreichten Betroffene und ihre Unterstützer die Petition dem Landtag - am Donnerstag wurde sie im Landtag verhandelt

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Unabhängige Missbrauchsaufarbeitung - Bayern erteilt Absage

Unabhängige Missbrauchsaufarbeitung - Bayern erteilt Absage

Unabhängige Strukturen zur Aufarbeitung von Gewalt und Missbrauch hatten Missbrauchsbetroffene im April in einer Petition an den Landtag gefordert. Das bayerische Sozialministerium hat dem nun eine Absage erteilt, aus Angst vor Doppelstrukturen.

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"Gewalt an Kindern und Jugendlichen entschlossen entgegentreten!" – so hatte es die im April an den Landtag übergebene Petition gefordert. In vielen Bundesländern gibt es bereits unabhängige Strukturen zur Aufarbeitung von Gewalt und Missbrauch. Das bayerische Sozialministerium hat dem nun aber eine Absage erteilt. Missbrauchsbetroffene forderten in der Petition eine unabhängige, bayerische Aufarbeitungskommission, einen landesweiten Betroffenenbeirat und eine Ombudsstelle für Betroffene.

Petition wurde im April übergeben

Das hat das bayerische Sozialministerium abgelehnt, mit dem Verweis auf bestehende Einrichtungen wie die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung. Es sei "nicht nachvollziehbar, wozu es einer zusätzlichen Struktur mit potenziell gleichen Befugnissen und Aufgaben auf Landesebene bedarf", schreibt das Ministerium.

Für Unverständnis sorgt das bei Richard Kick, Mitinitiator der Petition und selbst Missbrauchsbetroffener: "Dadurch bleibt Bayern das Schlusslicht in der Aufarbeitung der sexuellen Gewalt in Deutschland. Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinlandpfalz, und Hessen haben längst unabhängige Aufarbeitungsstrukturen etabliert. Darüber verfügt Bayern nun auch weiterhin nicht."

Claus: Bayern stark in Projekten, schwach in Strukturen

Ähnlich sieht das die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus: "Bayern ist durchaus stark in Projekten, aber eben schwach in Strukturen. Kinder- und Jugendschutz insbesondere vor sexualisierter Gewalt ist in Bayern nicht stark durchdekliniert. Das geht los damit, dass sie Bundesländer haben, die starke, moderne Kinderschutzgesetze haben – das hat Bayern nicht." Dazu gehöre zum Beispiel auch, dass schulische Schutzkonzepte verpflichtend sind – so sei das bereits in elf Bundesländern sagt Claus - in Bayern nicht. Außerdem fehle ein landespolitisches Pendent zu ihrem Amt als Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung.

"Es hätte in Bayern der Startschuss sein können für einen solchen Prozess mit der Expertise von Außen", sagt Kerstin Claus. "Welche Leerstellen haben wir? Was brauchen wir? Wie setzen wir das um? Und dann wäre auch das Verständnis in einem Sozialministerium gewachsen, dass ohne starke Strukturen, Kinder und Jugendschutz und der Kampf gegen sexualisierte Gewalt nicht gelingen kann."

Sozialministerium befürchtet eine Doppelstruktur

Das bayerische Sozialministerium sehe die Verantwortung für die Aufarbeitung von Missbrauch bei den Institutionen selbst, den Kirchen und Kommunen, kritisiert Susanne Nothhafft, Mitunterzeichnerin der Petition und Professorin für Recht in der Sozialen Arbeit an der Katholischen Stiftungshochschule in München. "Bisher bleibt das alles auf der Ebene der Trägereinrichtungen, dort gibt es natürlich Täterstrukturen und Menschen, die diese Gewalt überlebt haben. Diese haben natürlich ein großes Misstrauen inwieweit diese Täter- und Täterinnenstrukturen wirklich in der Lage sind aufzuarbeiten", sagt Nothhafft.

In Bayern bleibt also alles beim Status quo, denn das Ministerium hat jede einzelne Forderung in der Petition abgelehnt, nicht nur mit dem Verweis auf bestehende Strukturen, sondern es warnt auch davor, "eine aufwendigen Doppelstruktur" zu errichten - obwohl der zuständige Sozialausschuss im Landtag die Petition mit großer Mehrheit unterstützt hat, auch mit Stimmen von CSU und Freien Wählern.

SPD: Ministerium missachtet Votum des Ausschusses

Die Entscheidung des Sozialministeriums ist für die Ausschussvorsitzende Doris Rauscher (SPD) völlig unverständlich: "Es hat sich nichts getan. Im Grunde macht sich die Staatsregierung da einen schlanken Fuß, missachtet dieses starke Votum und kommt dem Auftrag des Ausschusses nicht nach." Nächsten Donnerstag trifft sich der Sozialausschuss erneut. Dann soll über das weiter Vorgehen beraten werden und auch Unterstützer der Petition sollen noch einmal zu Wort kommen.

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