Junge Frau vor der Eichstätter Sommerresidenz
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Sabira lebt und studiert seit einem Jahr in Eichstätt.
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Vier Jahre Taliban-Herrschaft: "Frauen haben keine Rechte mehr"

Vier Jahre Taliban-Herrschaft: "Frauen haben keine Rechte mehr"

Vor vier Jahren haben die Taliban die Macht in Afghanistan übernommen. Vor allem Mädchen und Frauen leiden seitdem unter Einschränkungen. Viele sehen keine Perspektive mehr. So auch Sabira Saei. Seit einem Jahr lebt und studiert sie in Eichstätt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Lange, dunkle Haare, das Handy in der Hand, zügig geht Sabira Saei über den Marktplatz in Eichstätt. In der kleinen Stadt kennt sie sich mittlerweile gut aus. Seit April 2024 studiert die 27-Jährige über ein Austauschprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) im Master BWL mit dem Schwerpunkt "Entrepreneurship and Innovation" in Eichstätt. Gemeinsam mit ihrer vierjährigen Tochter hat sie Afghanistan verlassen - es war eine Flucht vor den Taliban.

"Keine Perspektive im Land"

Die Machtergreifung der radikal-islamischen Taliban vor vier Jahren war für Saei ein Schock. "Ich habe studiert und auch gearbeitet. Das Leben war völlig normal." Doch dann änderte sich alles: "Wir verloren all diese Möglichkeiten, all diese Rechte." Sie verlor ihren Job. Ihr Studium konnte sie nicht fortsetzen. In Afghanistan sah sie keine Perspektive mehr. Daher bemühte sie sich um ein Stipendium. Als Saei dafür die Zusage bekam, ging es um die komplizierte Ausreise: "Die Taliban erlauben Frauen nicht, alleine zu reisen. Deshalb war ich ein bisschen gestresst." Schließlich konnte sie gemeinsam mit einer anderen Familie das Land verlassen.

Ausreise extrem schwierig

Das bestätigt auch der DAAD: "Die Visabeantragung afghanischer Stipendiaten gestaltet sich äußerst schwierig" - und sei nur über Nachbarländer möglich. Derzeit fördert der DAAD 136 Afghaninnen und Afghanen in Deutschland. Insgesamt waren es 2024 knapp 7.000 internationale Studierende. Das Programm, über das Saei in Eichstätt studiert, soll weltweit gefährdete Studierende sowie Doktoranden unterstützen, denen in ihrem Herkunftsland das Recht auf Bildung und andere Grundrechte verweigert werden.

Mädchen dürfen nur bis zur 7. Klasse in die Schule

Über 100 Dekrete haben die Taliban mittlerweile erlassen, um vor allem das Leben von Mädchen und Frauen einzuschränken. Mädchen dürfen nur die Grundschule besuchen, die in Afghanistan nach der 6. Klasse endet. "Frauen sind beruflich sehr stark eingeschränkt. Sie dürfen nur noch Berufe im medizinische Bereich und den Lehrerinnenberuf ausüben", berichtet Christina Ihle vom "Afghanischen Frauenverein e.V.". Ansonsten seien Frauen weitgehend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen und dürfen sich nur noch begrenzt bewegen - und nur in Begleitung des männlichen Familienoberhauptes.

Große regionale Unterschiede

Das Stadt-Land-Gefälle sei jedoch groß, berichtet Ihle. Rund 80 Prozent der Bevölkerung leben auf dem Land. Dort habe etwa in den vergangenen 20 Jahren die Burka eine große Präsenz gehabt. "In Kunduz, wo wir eine Schule haben, haben unsere Lehrerinnen immer Burka getragen", so Ihle. In der Stadt sei es anders: "Da sind Frauen bis 2021 westlich gekleidet gewesen." Laut "Pro Asyl" sind etwa 3.300 Inspektoren mit weitreichenden Befugnissen in 28 der 34 Provinzen Afghanistans eingesetzt, die die Bewegungsfreiheit, die Gesundheitsversorgung und den Zugang von Frauen und Mädchen zu öffentlichen Räumen massiv einschränken.

Gesundheitsversorgung auf dem Land vor dem Kollaps

Vielerorts fehlt die internationale Hilfe, vor allem seit sich die USA Anfang des Jahres zurückgezogen haben. Hunger ist ein großes Problem. Laut Pro Asyl leiden knapp 15 Millionen Menschen unter akuter Nahrungsmittelunsicherheit und drei Millionen sind vom Hungertod bedroht. Die Gesundheitsversorgung auf dem Land stehe vor dem Kollaps. Der Afghanische Frauenverein betreibt beispielsweise mehrere Mutter-Kind-Kliniken und fünf Schulen. Doch die Lage verschlechtere sich zusehends.

Frauen in Afghanistan helfen

Einen schnellen Regimewechsel sieht Saei nicht - und damit auch keine Möglichkeit, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. An der Uni in Eichstätt fühlt sich die junge Frau wohl. Ihre kleine Tochter besucht den Kindergarten. "Ich arbeite wirklich gerne mit den anderen Studenten. Und die Professoren unterstützen uns gut. Alles ist perfekt." Doch die Schicksale der Frauen in Afghanistan gehen ihr nahe, wenn sie darüber spricht, spürt man ihre Verzweiflung. Sie will von Deutschland aus den Frauen in ihrem Land helfen. Wenn sie ihr Studium beendet hat, will sie ein Online-Beratungsunternehmen für afghanische Frauen eröffnen.

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