Wanderer im steilen Felsgelände mit Altschneefeldern.
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Jetzt nicht ausrutschen: Altschneereste am Heilbronner Weg in den Allgäuer Alpen.
Bildrechte: picture alliance | imageBROKER | Mara Brandl
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Jetzt nicht ausrutschen: Altschneereste am Heilbronner Weg in den Allgäuer Alpen.

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Alpine Wege: Am Handy leicht, in echt oft gefährlich

Alpine Wege: Am Handy leicht, in echt oft gefährlich

Wer oft am Berg ist, kennt das: Plötzlich ist der Weg steiler und schwieriger als gedacht, ein Ausrutschen lebensgefährlich. Jetzt gilt es, genau zu urteilen und richtig zu entscheiden. Gerade diese alpine Kernkompetenz fehlt Berggängern immer öfter.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Am Tag nach der Tour über den Einödsberg zum Waltenberger Haus bei Oberstdorf wird Marie und ihren Bergfreunden erst richtig klar, was passiert ist: "Gestern war es ein bissl lebensgefährlich", sagt sie, und einer der Mitwanderer schildert lebhaft, wie sie in der steilen Bergflanke über harte Altschneefelder und steile Schrofen gezittert haben. Die Querung unterhalb von Trettachspitze und Mädelegabel ist berüchtigt im Allgäu, denn sie führt durch Steilgelände rund 1.000 Höhenmeter über einer tiefen Schlucht, dem sogenannten "Bacherloch". Es ist kein Wanderweg, sondern eine teils weglose Steigspur, die vor allem Kletterer für den Zustieg zur Trettachspitze nutzen. Für die elf Freunde ist der Weg ungeeignet, denn neben ein paar Bergerfahrenen sind auch völlig Ungeübte in der Studentengruppe dabei.

Schleichend in immer größere Gefahr

Ausgedacht und geplant hatte die Tour einer der Erfahreneren in der Gruppe. Das eigentliche Ziel war der Heilbronner Weg. Weil die Kemptener Hütte als Stützpunkt aber ausgebucht war, hatten sie auf der Suche nach Alternativen auf der Plattform Komoot diesen Zustieg zum Waltenberger Haus gefunden. Dort sei zwar von Schotter und "gefährlich" die Rede gewesen, doch die Bilder hätten gar nicht gefährlich ausgesehen, sagt derjenige, der die Tour für die Gruppe organisiert hat.

Vor Ort aber, im Mädelekar, entwickelt das Gelände schleichend seine immer größere Gefährlichkeit. Es ist so steil, dass hier ein einfaches Ausrutschen genügt, um abzustürzen. Zum Teil müssen auch Altschneefelder gequert werden, oft gibt es nur Trittspuren in Gras und Schrofen.

Umkehren oder nicht?

Besonders gemein ist, dass die heikelsten Stellen im allerletzten Stück anstehen. Laut Komoot fehlte der Gruppe nur noch eine halbe Stunde bis zur Hütte bei schon weit fortgeschrittener Tageszeit. Also Augen zu und durch – mit einem Riesen-Schutzengel. Zum Eintopf auf der Hütte gab es einen Einlauf vom Hüttenwirt.

Sie haben viel gelernt, sagen die Studenten hinterher, dass sie nicht mehr nur auf Bilder vertrauen sollen, sondern vorher anrufen, sich beraten lassen oder eine Einschätzung von der Alpinen Auskunft oder anderen Expertenstellen einholen. Dass sie offen darüber sprechen und ihre Lehren ziehen, ist respektabel. Aus dieser Fehleinschätzung bauen sich Übung und Erfahrung auf. Viel besser wäre freilich gewesen, gar nicht erst in eine solche Situation zu geraten.

Experten: Kompetenz zur Geländebeurteilung fehlt oft

Viele Wanderer gehen, bis sie nicht mehr weiterkommen. Das führt dann oft zu den sogenannten Blockierungen – dabei bringen sie sich und andere in Lebensgefahr, anstatt rechtzeitig umzukehren. Gabi Schieder-Moderegger, Vorsitzende der DAV-Sektion Berchtesgaden, beobachtet immer öfter, dass die "natürliche Fähigkeit, angemessen zu reagieren, abhandengekommen ist". Eine Ursache vermutet sie in den Sozialen Medien, wo durch die Sogkraft der Bilder die Nachahmung ohne jedwede Berücksichtigung etwaiger Gefahren angeregt wird. Seitens des Alpenvereins setzt Gabi Schieder-Moderegger auf die Beratung durch die Alpine Auskunft. Auch ihre Alpenvereinssektion erhält viele Mails, die alle beantwortet werden, um schon im Vorfeld zu vermeiden, dass Wanderer aus Unwissenheit in Bergnot geraten.

Michael Turobin-Ort, Geschäftsführer der DAV-Sektion Allgäu-Kempten, will die Aufmerksamkeit für Geländebeurteilung und Entscheidungskompetenz steigern, sieht aber auch, wie schwierig es ist, diese individuellen Fähigkeiten zu erwerben. Innerhalb des Alpenvereins setzt er auf die zahlreichen Ausbildungsangebote. Wirklich lernen kann man die Entscheidungskompetenz aber nur im Gelände; indem man die Informationen aus der Planung mit der Wirklichkeit und den Bedingungen vor Ort vergleicht. So lässt sich erkennen, ob eine vermeintlich harmlose Stelle noch zum eigenen Können passt. Ausprobieren gehört genauso dazu wie umkehren. Und das lieber ein paarmal zu viel als einmal zu wenig.

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