Laut der Aids-Beratung der Stadtmission Nürnberg hat die Zahl der HIV-Neuinfektionen wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Die Stadt Nürnberg sieht sich bei der Versorgung von HIV-Patienten insgesamt gut aufgestellt. Nach Informationen von Experten können Betroffene ein weitgehend normales Leben führen. Doch junge Menschen haben die Krankheit häufig kaum im Bewusstsein.
Wissen bei jungen Menschen ist ausbaufähig
"Die Zahl der Neudiagnosen in Deutschland hat nach einem Knick während der Pandemie wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Wir beobachten gerade auch bei jungen Menschen, dass deren Wissen über sexuelle Gesundheit und Übertragung von Erkrankungen massiv ausbaufähig ist", sagt Sarah Armbrecht, Einrichtungsleiterin der Aids-Beratung Mittelfranken in Trägerschaft der Stadtmission Nürnberg. Immer häufiger werde auf Kondome verzichtet, weil man darauf vertraue, dass der Sexpartner nicht betroffen sei. Berater setzen weiter auf Gespräche mit Jugendlichen und geben Tipps zu Impfungen, Medikamenten, Verhütungsmitteln, Lektüren und zu regelmäßigen Tests." Eine Wissensbasis schaffen, die blindes Vertrauen durch kluges Vertrauen ersetzt und die Eigenverantwortung stärkt" – das sei das Ziel der Berater, so Armbrecht.
Viele Betroffene suchen Rat
So hat allein die Aids-Beratung der Stadtmission Nürnberg im vergangenen Jahr mit ihrem Präventionsangebot in ganz Mittelfranken rund 8.500 Personen direkt erreicht. Nach eigenen Angaben gab es weit mehr als 600 Beratungsgespräche für Menschen mit einer HIV-Diagnose und deren Angehörige. Knapp 500 Menschen suchten das anonyme Beratungsangebot auf, 270 Menschen nahmen einen HIV-Schnelltest in Anspruch. Die Stadt Nürnberg ist nach eigenen Angaben bei der Versorgung von HIV-Betroffenen gut aufgestellt.
Weiterhin Diskriminierung HIV-Betroffener
In Nürnberg ist Dr. Michael Weiß, Facharzt für Innere Medizin, als Schwerpunktarzt für HIV-Patienten tätig. "Die Behandlung von HIV ist heute so weit fortgeschritten, dass Menschen mit HIV meist eine weitgehend normale Lebenserwartung und -qualität haben", so Weiß. Allerdings würden Betroffene bis heute diskriminiert – auch im Gesundheitswesen. Laut Weiß werden beispielsweise Behandlungen verzögert oder gar verweigert. Er sieht es kritisch, dass vor der Einführung der elektronischen Patientenakte nicht über mögliche kritische Folgen aufgeklärt wird. Die Krankenkassen seien hierzu verpflichtet, setzten dies aber nicht ausreichend um, so Weiß.
Kondome schützen
Der medizinische Leiter des Gesundheitsamtes, Klaus Friedrich, mahnt, nicht nur an HIV zu denken: "Wir haben keine Impfung gegen HIV, aber gegen andere sexuell übertragbare Krankheiten wie HPV, das für die Hälfte aller virusbedingten bösartigen Tumore und für fast 100 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich ist." Die Impfquote sei zuletzt massiv zurückgegangen. Etwa 40 Prozent der Mädchen seien trotz entsprechender Impfempfehlung mit 14 Jahren nicht oder unzureichend gegen das humane Papillomavirus geimpft, was jährlich rund 150.000 Betroffenen in Deutschland entspräche. Bayern hätte eine der niedrigsten HPV-Impfquoten im Vergleich aller Bundesländer. "Wir müssen von unserer traditionellen Impf-Muffelei herunterkommen", so Friedrich.
Welt-Aids-Tag 2024: Experten fordern mehr Toleranz
Zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember rufen Experten zu einem besseren Umgang mit HIV-positiven Menschen auf. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO leben weltweit knapp 40 Millionen Menschen mit HIV. Bundesweit lagen 2023 die HIV-Neuinfektionen bei etwa 2.200 Personen, davon 280 in Bayern und 45 in Nürnberg. In Deutschland lebten Ende 2023 rund 96.700 Menschen mit HIV. Rund 99 Prozent erhalten HIV-Medikamente in Form einer sogenannten antiretroviralen Therapie, die die Vermehrung der Viren im Körper unterdrückt. Einen kontinuierlichen Anstieg der HIV-Neuinfektionen gab es zuletzt bei Drogenkonsumenten.
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