Sechs Meter hohe Backsteinwände, Gewölbedecken, riesige Türen durchfluten den Raum mit Licht. Ein denkmalgeschütztes Gebäude - für Brandschutz-Planer eine Herausforderung. Sie wollen den Charme des Gebäudes bewahren und gleichzeitig ein risikoarmes Brandschutzkonzept erstellen. Denn hier soll später mal ein Büro entstehen.
Bauen im Bestand: Brandschutz-Planung komplexer
Wenn Architekt und Brandschutz-Experte Thorsten Götz hier nach Schema F vorgegangen wäre, hätte das Gebäude zwei Etagen, Brandschutztüren und die Wände etwa einen Brandschutz-Anstrich - "aber dann wäre dieser schöne, große Raum hier nicht so entstanden." Glücklicherweise, sagt Götz, ist in der Bayerischen Bauordnung vorgesehen, vom Schema F abzuweichen. Etwa zugunsten des Bestands.
Bauordnung lässt Spielräume für die Umsetzung offen
Allein in diesem künftigen Büro hat er in seinem Brandschutz-Konzept 20 Abweichungen festgelegt. "Gesunder Menschenverstand und pragmatische Lösungen" seien gefragt. Beispielsweise hat Thorsten Götz entschieden, dass die Holztreppe kein brandschutztechnisches Problem darstellt, weil die Feuerwehr im Fall der Fälle trotz abbrennender Treppe von überall her Zugang hätte, retten und löschen könnte. Diese Ausnahme von der Regel ist trotz Brandschutzkonzept möglich.
Zugrunde liegt die Bayerische Bauordnung, die solche Spielräume offen lässt. Für den Architekten sei die schon schlank genug. Die Forderung nach Bürokratieabbau im Bereich Brandschutz kann Götz nicht nachvollziehen.
Konkrete Pläne zum Bürokratieabbau nicht bekannt
Wo genau die Brandschutz-Vorgaben verschlankt werden sollen, hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nicht gesagt: "Wir werden die Anforderungen beim Brandschutz so senken, dass wir auf einen Mindeststandard kommen, was feuerpolizeilich notwendig ist, aber alles, was extra und über war, wird abgebaut." In der Bayerischen Bauordnung regelt Artikel 12 den Brandschutz: Brandausbreitung, Rettung von Mensch und Tier sowie Löscharbeiten müssen gewährleistet werden, heißt es darin. Ein Mindeststandard.
Nachgefragt beim Beauftragten für Bürokratieabbau der Staatsregierung, Walter Nussel: "Bei Gebäuden wie Kindergärten, Krankenhäuser, Seniorenheimen soll an den Brandschutz-Vorschriften nichts gestrichen werden." Bei Parkhäusern etwa oder in Büros, wo das Risiko eines Brands statistisch gesehen verschwindend gering sei, könnten Regelungen verschlankt werden, sagt Nussel. "Wir müssen weg von der Einzelfallgerechtigkeit. Wir können nicht alle Unglücke verhindern, wenn wir auch noch so viele Regeln aufstellen. Wir müssen ein gutes Mittelmaß finden."
Mehr Bürokratie führt nicht zu mehr Sicherheit
Darin sind sich dann wohl alle einig. Denn Experten sagen: Immer mehr Aufwand senkt gleichzeitig die Wirkung. Das heißt: Mehr Bürokratie führt nicht zu mehr Sicherheit – sondern treibt Baukosten in die Höhe und kostet Zeit. Verhältnismäßige Brandschutz-Maßnahmen ergeben sich aus der Bayerischen Bauordnung.
Wo müsste also stattdessen nachgebessert werden? Die Architekten und Brandschutz-Planer vor Ort sagen: beim Knowhow aller Beteiligten. "Da herrscht eine große Unsicherheit, von den Planern über Gutachtern bis zur Rechtsprechung. Da machen manche vielleicht lieber Gürtel und Hosenträger, um auf Nummer sicher zu gehen. Stattdessen wäre Pragmatismus angesagt", sagt Architekt Roland Breunig, dem das denkmalgeschützte Gebäude für das künftige Büro in Würzburg gehört.
Nicht weniger Bürokratie, sondern mehr Knowhow
Was außerdem immer wieder zu überzogenen Maßnahmen und damit höheren Kosten führe, seien Produkte, die auf dem Markt angeboten werden, aber nicht nötig seien. In dem Punkt stimmte der Bürokratieabbau-Beauftragte auf Nachfrage zu, dass die Staatsregierung solche Angebote besser im Blick haben müsse.
Thorsten Götz und Roland Breunig fordern deshalb, die Brandschutz-Vorschriften beizubehalten, und stattdessen bei der Ausbildung von Architekten und Bauingenieuren nachzubessern.
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