Den Bogen hat Tobias bei seinem Schnupperpraktikum in der Werkstatt von "Holz und Liebe" in Nördlingen gefertigt.
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Den Bogen hat Tobias bei seinem Schnupperpraktikum in der Werkstatt von "Holz und Liebe" in Nördlingen gefertigt.
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Den Bogen hat Tobias bei seinem Schnupperpraktikum in der Werkstatt von "Holz und Liebe" in Nördlingen gefertigt.

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Werkstatt für die Seele: Wie psychisch Kranke mit Holz arbeiten

Werkstatt für die Seele: Wie psychisch Kranke mit Holz arbeiten

Nachdem sie einen Bericht im BR gesehen hatte, ist Manuela Naumann mit ihrem Sohn Tobias fast 500 Kilometer ins schwäbische Nördlingen gefahren, in die Werkstatt "Holz und Liebe". Dort können Menschen mit Behinderung kreativ mit Holz arbeiten.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Tobias Naumann nimmt den Bogen in die Hand und spannt die Sehne. "Dafür braucht man schon Kraft", sagt er stolz. Den Bogen hat er im Fundus der Werkstatt "Holz und Liebe" von Thomas Schenk in Nördlingen gefunden. Dort hat der 27-Jährige ein Schnupperpraktikum gemacht und entdeckt: "Es ist einfach das Holz an sich, was Spaß macht", sagt er, und streicht mit der Hand über den glatt geschliffenen Bogen.

Das war das Ziel seiner Mutter: Herausfinden, was Tobias liegt, womit er gut umgehen kann. Dafür ist sie knapp 500 Kilometer weit gefahren. Zuvor hat sie einen Bericht über Thomas Schenk und seine Arbeit mit Menschen mit Behinderung im Bayerischen Fernsehen gesehen. "Und das hat mich so an Tobias erinnert", sagt Manuela Naumann. "Deshalb sind wir hierhergekommen." Und zwar: Aus der Nähe von Dresden bis nach Nördlingen.

Reguläre Angebote für Menschen mit Behinderung waren nichts für Tobias

In der Regel-, aber auch in der Förderschule kam Tobias nicht zurecht. In der Fernschule allerdings, alleine, von zu Hause aus, hat er einen guten Abschluss geschrieben. In Berufsbildungswerken für Menschen mit Behinderung hatte er ebenfalls Probleme. "Wenn da acht Leute an Hobelbänken sitzen, dann ist das laut. Das ist für ihn schwer auszuhalten", sagt seine Mutter. Er gehe dann, werde selbst laut, seine Reaktionen seien oft unterschiedlich. "Hier aber, bei dieser individuellen Betreuung durch Thomas Schenk, hat er eine ruhige Umgebung und kann kreativ sein", sagt Manuela Naumann weiter.

Medium Holz als Mittler

Kreativ waren die beiden: Nicht nur den Bogen, auch eine Lampe, ein Küchenbrett und eine Garderobe haben sie in den vergangenen Tagen zusammen gefertigt. Stundenweise, immer in kleinen Abschnitten. Thomas Schenk, eigentlich Sozialpädagoge und, wie er selbst sagt, beim Umgang mit Holz "eher Autodidakt", geht auf die Menschen ein, die bei ihm sind. Passt sich an, hört zu. Dazu kommt der Umgang mit dem Material Holz: Er hat schon oft die Erfahrung gemacht, dass Menschen mit Behinderung oder auch mit Suchterkrankungen durch das Medium Holz gut erreichbar sind. "Ich merk’ das eigentlich bei allen Menschen, wenn sie reinkommen in die Werkstatt, die meisten strecken die Hand aus, und streichen übers Holz. Andere Pädagogen arbeiten mit Tieren - ich nutze Holz als Mittler." So konnte er schon so manchen vor der Einweisung in die Psychiatrie bewahren.

1:1 Betreuung in der Werkstatt: ein seltenes, aber erfolgreiches Angebot

Derzeit betreut er 13 Menschen regelmäßig. Sie sind an Schizophrenie erkrankt, haben eine Borderline-Persönlichkeitsstörung, ein Suchtproblem oder sind Autisten wie Tobias. Oder Florian, der bereits seit vier Jahren jede Woche zu ihm kommt. Thomas Schenks Arbeit wird vom Bezirk Schwaben gefördert und kontrolliert. Sie ist laut Bezirk in dieser Art einzigartig in der Region. Und offenbar auch darüber hinaus: Das ist der Grund, warum Manuela Naumann so weit gefahren ist. Ihr Sohn Tobias ist zwar im elterlichen Betrieb bei Dresden beschäftigt, aber, sagt die Mutter: "Unser Ziel ist, dass er da rauskommt, selbstständiger wird, bei einer Fremdfirma arbeiten kann. Dass er sich beweisen kann und ohne uns klarkommt."

In den Tagen bei Thomas Schenk hat sie gesehen: Es kann funktionieren, wenn die Bedingungen für ihren Sohn passend sind. Sie hofft jetzt, dass sie einen ähnlichen Betrieb findet, der Tobias ausbilden und regelmäßig beschäftigen würde. Thomas Schenk ist mit Tobias Fortschritten zufrieden: "Wir haben tatsächlich viel parallel gearbeitet. Ich habe die Sachen gesägt, Tobias hat geschliffen. Es war ein sehr kreativer Prozess. Tobias hat eine sehr genaue Vorstellung, wie was ausschauen soll, und das haben wir dann eigentlich ganz gut realisiert." Jetzt werden die beiden die Holzarbeiten noch verpacken, damit Tobias sie mit nach Hause nehmen kann, und sie die 500 Kilometer weite Fahrt gut überstehen.

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