Alex will heute zum ersten Mal surfen. Aber Alex sitzt im Rollstuhl, seit er vor zehn Jahren einen Motorradunfall hatte. Wie soll der junge Mann es da auf ein Surfbrett schaffen? Und was passiert, wenn die Welle ihn vom Board wirft? Seine Beine kann er schließlich nicht mehr bewegen. Doch Alex ist zuversichtlich. Er steht mit seinem Rollstuhl am Beckenrand der künstlichen Welle Surftown Munich in Hallbergmoos am Münchner Flughafen und blickt in die krachend brechenden Wellen.
Neben ihm sind auch andere Rollstuhlfahrer dabei, Menschen mit halbseitiger Lähmung oder Bein-Prothesen und sogar ein blindes Mädchen. Einige von ihnen waren schon mit dem gemeinnützigen Verein Open Ocean (externer Link) auf einer Surfwoche in Portugal, für andere wie Alex ist es heute das erste Mal.
Alex: "Beim Sport tritt meine Behinderung in den Hintergrund"
Ein Surfcoach zeigt der Gruppe die speziell für Menschen mit Behinderung konzipierten Bretter, auf die sie sich nachher bäuchlings legen werden. Sie sind weicher umschäumt, haben eine Erhebung, die die Brust unterstützt, eine Mulde für die Beine und jede Menge Halteschlaufen.
Alex lässt sich aus seinem Rollstuhl auf den Boden gleiten und robbt auf das Brett, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Sport und Beweglichkeit sind ihm wichtig. Zuhause in Darmstadt spielt er Rollstuhl-Rugby. "Da sind eine Menge netter Leute unterwegs", sagt er. "Da tritt meine Behinderung schnell in den Hintergrund, und gleichzeitig tue ich noch etwas für meine Fitness." Das sei im Rollstuhl noch wichtiger als für Menschen, die laufen können, sagt er. Die haben ja schon nebenbei im Alltag einiges an Bewegung.
Freiwillige machen es möglich
Ein paar Meter weiter zeigt Sebastian von Open Ocean e.V. den freiwilligen Helfern, wie sie ihn aus dem Rollstuhl und in den Strandrollstuhl heben können, mit dem es nachher ins Wasser gehen soll. "Instinktiv denkt jeder, dass er mir unter die Arme fassen soll, aber viel leichter geht es, wenn ihr mich hinten am Hosenbund hochhebt." Die Freiwilligen probieren es aus. "Cooles Projekt", sagt Mathis, der zum ersten Mal dabei ist und selber surft. "Inklusion finde ich total wichtig. Es macht mir Spaß, es anderen zu ermöglichen, diesen Sport auszuprobieren."
Lebensfreude, Motivation, Kraft und Selbstvertrauen
Jetzt geht es in die Welle. Am Beckenrand helfen die Freiwilligen Alex in den Strandrollstuhl, der für den Sand extra breite Reifen und vorne ein kleines, breites Rad hat (siehe Bild). Im Wasser geht es dann aufs Brett, und die Surfcoaches von "Surftown Munich" manövrieren Alex zum Startpunkt der Welle, geben ihm einen Schubs und los geht die Fahrt.
Am Beckenrand freut sich Vereinsgründer Johannes Laing. Der leidenschaftliche Surfer sitzt selbst im Rollstuhl und hat ausgetüftelt, wie Behinderte surfen können. Das gebe nicht nur Lebensfreude, sondern auch Motivation, Kraft und Selbstvertrauen: "Wenn ich im Meer eine Welle surfen kann, was kann ich denn dann noch alles!" Und er erzählt von einer blinden Surferin, der man immer gesagt hatte: "Das schaffst Du nicht, das kannst Du nicht, das solltest Du lieber nicht." Nach drei Versuchen stand sie dann auf dem Brett und surfte die Welle.
"Hammer! Hammer! Hammer!"
Nach ein paar Runden hat Alex es schon viel besser raus, wie er sich auf dem Brett bewegen und sein Gewicht verteilen muss, und kommt nach einer Stunde mit einem breiten Grinsen und sichtlich ausgepowert aus dem Wasser: "Hammer, Hammer, Hammer!", freut er sich. "Es hat Riesenspaß gemacht und ich habe schon eine Menge gelernt in der ersten Session."
Vereinsgründer Johannes Laing hofft, dass sein Verein nun noch ein paar Sponsoren findet, denn der Aufwand für die Surftage und -urlaube ist beträchtlich. Schon allein, weil Strandrollstühle oder Surfbretter für Menschen mit Behinderung teuer sind.
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