Merkel, die CSU und der Putsch-Versuch: Verzwickte Beziehung
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Archivbild: Markus Söder, Angela Merkel, Edmund Stoiber im Juni 2023 in der Münchner Residenz

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Merkel, die CSU und der Putsch-Versuch: Verzwickte Beziehung

Merkel, die CSU und der Putsch-Versuch: Verzwickte Beziehung

Die Beziehung zwischen der CSU und Angela Merkel war stets kompliziert: unter Stoiber, Seehofer und Söder. Schon 2016 hieß es, dass Stoiber die Kanzlerin gern stürzen würde. Jetzt bestätigen das Wolfgang Schäubles "Erinnerungen". Die CSU schweigt.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Angela Merkel (CDU) sitzt im prunkvollen Antiquarium in der Münchner Residenz und lächelt - Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als Gastgeber zu ihrer Rechten, der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber zu ihrer Linken. Keine zehn Monate sind die Fotos alt: Im Juni 2023 würdigte Söder die "große Lebensleistung" der Ex-Kanzlerin mit dem bayerischen Verdienstorden: "Weil sie es verdient hat." So mancher zeigte sich damals verwundert über Söders Ehrung für Merkel mit dem zweithöchsten Orden des Freistaats - schließlich hatte die Staatsregierung beziehungsweise die CSU stets eine sehr spannungsvolle Beziehung zu der CDU-Politikerin.

Ärger mit Seehofer und Stoiber

Da war die Rivalität zu Edmund Stoiber, der Dauerstreit mit Horst Seehofer und das wechselhafte Verhältnis zu Söder. Seehofer drohte Merkel mehrfach mit dem Ende der schwesterparteilichen Zusammenarbeit und damit dem Aus der Koalition. Im Streit über die Flüchtlingspolitik brüskierte er die damalige Kanzlerin 2015 auf offener Bühne, setzte ihr 2018 eine Frist, drohte und sorgte mit einer Rücktrittsankündigung sowie dem Rücktritt vom Rücktritt für Wirbel. Auch der heutige CSU-Chef Söder attackierte die Kanzlerin im Zuge der Flüchtlingskrise scharf.

Und Stoiber, der Jahre zuvor anstelle Merkels selbst gern Kanzler geworden wäre, soll sich 2015 sogar um einen Putsch gegen Merkel bemüht haben. Das jedenfalls berichtet der im Dezember verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble in seinen "Erinnerungen", die nächste Woche im Klett-Cotta Verlag erscheinen. Aus der ersten politischen Reihe hatte Stoiber sich damals schon längst verabschiedet, war aber als CSU-Ehrenvorsitzender Mitglied des CSU-Vorstands und versuchte offenbar, hinter den Kulissen Einfluss zu nehmen.

Schäuble: Stoiber wollte Merkel stürzen

Das Magazin "Stern" druckte diese Woche (externer Link - möglicherweise Bezahlinhalt) vorab mehrere Passagen aus dem Buch ab. Schäuble schildert darin unter anderem seine Differenzen mit Merkel in der Flüchtlingspolitik. Gelegentlich sei er frustriert darüber gewesen, "dass Merkel in mancherlei Hinsicht beratungsresistent blieb". Im Herbst 2015 sei die Lage in der Union "schwierig" geworden. Auf dem CSU-Parteitag 2015 habe Seehofer der Kanzlerin "wie einem Schulmädchen die Leviten" gelesen: "Schaut man sich diese Szene noch einmal an, bekommt man eine Ahnung von den Verspannungen unter den Akteuren."

Besonders groß war der Unmut laut Schäuble bei Seehofers Vor-Vorgänger: "Inzwischen wurde auch Edmund Stoiber aktiv und feuerte Seehofer, seinen Nach-Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, in dessen Attacken gegen Merkel an." Stoiber habe sogar versucht, ihn dazu zu bewegen, Merkel zu stürzen. Schäuble selbst hätte sie nach Stoibers Willen im Kanzleramt beerben sollen.

"Ich lehnte das entschieden ab", schreibt Schäuble. "Wie Jahrzehnte zuvor bei Kohl blieb ich bei meiner Überzeugung, dass der Sturz der eigenen Kanzlerin unserer Partei langfristig nur schaden könnte, ohne das Problem wirklich zu lösen. Das war mein Verständnis von Loyalität." Die ganze Debatte habe ihn fast ein wenig amüsiert: "Weil ich ja mein Alter kannte, seit mehr als einem Vierteljahrhundert querschnittsgelähmt war und insgesamt eine angeschlagene Gesundheit hatte." Schäuble war damals 73.

Schäuble im Fernsehen: "Ich habe gesagt, ich mach' das nicht"

Es war nicht das erste Mal, dass Schäuble Putsch-Versuche gegen Merkel erwähnte. "Ich habe es zweimal abgelehnt, Kanzler, deren Regierung ich Mitglied war, und deren Regierung zu stürzen, gegen die zu putschen", sagte er beispielsweise im Dezember 2022 bei "Markus Lanz" im ZDF. Schon 1989, unter Helmut Kohl, sei dies an ihn herangetragen worden. "2015 waren auch welche bei mir. Und ich habe gesagt, ich mach' das nicht. Wir stürzen nicht unseren eigenen Kanzler." Namen nannte er damals nicht.

Dass Stoiber unionsintern gegen Merkel kämpfte und gern ihren Sturz sähe, schrieben Zeitungen und Magazine schon Anfang 2016. Neu ist, dass mit Schäuble ein damals führender Christdemokrat offen über Stoibers angeblichen Putsch-Versuch berichtet.

Stoiber gibt keinen Kommentar ab

Von Stoiber selbst kommt weder eine Bestätigung noch ein Dementi. "Ich habe mit wenigen Kollegen in meinem Leben so viele persönliche und vertrauliche Gespräche seit den 1980er-Jahren bis in die letzten Jahre hinein geführt wie mit meinem langjährigen und eng verbundenen Kollegen Wolfgang Schäuble", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des CSU-Ehrenvorsitzenden - und es folgt eine Aufzählung der vielfältigen Ämter Schäubles in der Bundesregierung, in der CDU, im Bundestag.

Zum Inhalt dieser Gespräche will sich Stoiber nicht äußern: "Berichte darüber habe ich niemals kommentiert und das gilt für mich natürlich auch heute nach seinem Tod weiter."

Seehofer: Putsch-Idee "Nicht bekannt"

Seehofer betont, von angeblichen Putsch-Bemühungen Stoibers nichts mitbekommen zu haben. "Edmund Stoiber hat mit mir nie über eine Ablösung von Angela Merkel gesprochen - auch weil völlig klar war, dass er mich für so einen Weg nie hätte gewinnen können", sagte Seehofer der "Augsburger Allgemeinen" (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt). Sollte es einen solchen Vorstoß Stoibers beim damaligen Bundesfinanzminister Schäuble gegeben haben, sei dies ohne sein Wissen geschehen. Dass Stoiber ein massiver Kritiker des Kurses von Kanzlerin Merkel in der Flüchtlingsfrage war, sei aber allgemein bekannt gewesen.

Ähnlich äußerte sich Seehofer auch in der "Süddeutschen Zeitung" (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt). Ein Putschplan Stoibers sei ihm "nicht bekannt", er selbst "hätte das auch nicht für gerechtfertigt gehalten". Er sei immer der Meinung gewesen, dass man den Kurs Merkels bekämpfen müsse und nicht die Person, sagte er.

Söders Kritik an Merkel

Und Söder? Insbesondere als CSU-Spitzenkandidat im Landtagswahlkampf 2018 beteiligte sich auch der Franke am CSU-Dauerfeuer gegen die Kanzlerin und CDU-Chefin. Merkels Entscheidung von 2015, die Grenzen für Tausende Migranten nicht zu schließen, geißelte Söder als "grundlegenden Fehler", machte sie für eine Schwächung der Union verantwortlich und forderte ein Ende des "Asyltourismus" - eine Formulierung, von der sich später distanzierte.

In der Corona-Krise lernte Söder Merkel als Verbündete im "Team Vorsicht" zu schätzen. Immer wieder berichtet er, dass die Tipps der Kanzlerin per SMS ihm in schwerer Zeit oft geholfen hätten. Im Sommer 2020 nutzte er einen Merkel-Besuch für eine Inszenierung, die die Spekulationen über seine bundespolitischen Kanzler-Ambitionen anheizte: Söder mit Merkel an Bord eines historischen Raddampfers, Söder mit Merkel in der Kutsche, Söder mit Merkel im Spiegelsaal von Schloss Herrenchiemsee.

Zur Migrationspolitik der Merkel-CDU ab 2015 aber geht Söder nach wie vor klar auf Distanz. Immer wieder betont der CSU-Chef, dass die CDU unter ihrem jetzigen Vorsitzenden Friedrich Merz endlich wieder dem CSU-Kurs folge.

CSU äußert sich nicht

Die CSU-Zentrale will auf BR-Anfrage zu den Ausführungen Schäubles keine Stellung nehmen. Auf die Frage, wie die CSU die Äußerungen zu einem möglichen Putsch-Versuch des CSU-Ehrenvorsitzenden wertet, schickt die Pressestelle lediglich die Empfehlung, bei Stoiber anzufragen.

Sollte es diesen Putsch-Versuch Stoibers gegeben haben, so scheiterte er offenbar daran, dass ihm einflussreiche Verbündete in der CDU fehlten. Merkel blieb noch bis 2021 Bundeskanzlerin.

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