Blumen und Kerzen in Erinnerung an das getötete Mädchen in Wunsiedel
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Blumen und Kerzen: Erinnerung an das getötete zehnjährige Mädchen in Wunsiedel

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Totes Mädchen in Wunsiedel - Herrmann lobt Ermittlungserfolg

Totes Mädchen in Wunsiedel - Herrmann lobt Ermittlungserfolg

Die Ermittler haben im Fall des toten Mädchens in Wunsiedel eine erste Spur: Ein Elfjähriger wird verdächtigt, an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Sozialministerin Scharf fordert im BR eine Debatte über Strafmündigkeit.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Nach dem Tod einer Zehnjährigen in einer Kinderhilfe-Einrichtung im oberfränkischen Wunsiedel haben die Ermittler einen Verdächtigen ausgemacht: Ein elfjähriger Junge soll an der Tat beteiligt gewesen sein. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten, deuten darauf am Tatort sichergestellte Spuren hin.

  • Zum Artikel: Totes Mädchen in Wunsiedel - Welche Fragen noch offen sind

Tatverdächtiger in gesicherter Einrichtung untergebracht

Eine Anhörung des Elfjährigen steht nach Angaben der Ermittler noch aus. Die weiteren Maßnahmen würden in enger Abstimmung mit den Jugendbehörden erfolgen. Da der Junge nicht strafmündig ist, wurde er laut Behörden präventiv in einer gesicherten Einrichtung untergebracht. Er lebte wie das Mädchen in der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in Wunsiedel.

Zu eventuellen weiteren Tatverdächtigen machten Polizei und Staatsanwaltschaft keine Angaben. In Medienberichten vom Mittwoch, welche die Behörden allerdings nicht bestätigten, war zunächst von drei tatverdächtigen minderjährigen Jungen im Alter zwischen 11 und 16 Jahren die Rede gewesen. Es werde keine weiteren Informationen geben, sagte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Oberfranken. So machte sie auch keine Angaben dazu, welche Art von Spuren gefunden worden sind.

Unklar blieb auch weiterhin, wie das Mädchen zu Tode gekommen ist. Eine Angestellte der Facheinrichtung der Jugendhilfe in Wunsiedel hatte die Zehnjährige am Dienstagvormittag leblos in einem Zimmer gefunden. Eine rechtsmedizinische Untersuchung ergab Anzeichen für Fremdeinwirkung.

Herrmann lobt schnellen Ermittlungserfolg

Für die Ermittlungen war eine aus über 40 Personen bestehende Sonderkommission "Park" eingerichtet worden, die unter "Hochdruck" an der Spurenauswertung gearbeitet hatte.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dankte in unmittelbarer Reaktion darauf den zuständigen Beamten für ihre "hervorragende Arbeit". Er sprach in diesem Fall von "sehr schwierigen und komplexen Ermittlungen", insbesondere auch weil sehr viele Kinder und Jugendliche zu befragen seien. "Da ist ausgesprochen viel Fingerspitzengefühl gefragt." Laut Herrmann ist die Arbeit der Ermittler aber noch lange nicht abgeschlossen. "Jetzt gilt es, die genauen Hintergründe dieser Schreckenstat aufzuklären."

Zugleich machte der Minister deutlich, dass ihn der gewaltsame Tod des Mädchens immer noch sehr berühre: "Das Leid der Eltern und der Hinterbliebenen muss unermesslich sein." Er hoffe, dass die Ermittlungsarbeit der Polizei zumindest etwas dazu beitragen könne, den schrecklichen Verlust ansatzweise verarbeiten zu können. Auch bei den Kindern und Jugendlichen im Jugendhilfezentrum Sankt Josef sitze der Schock noch tief. "Hier wartet auf die Betreuer noch sehr viel Bewältigungsarbeit."

Scharf: "Rasche Aufklärung von großer Bedeutung"

Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) begrüßte das Vorliegen erster Ermittlungsergebnisse: Dies gebe den Menschen ein Stück Sicherheit zurück, sagte sie dem Bayerischen Rundfunk. "Für alle Betroffenen sind diese rasche Aufklärung und die Hintergründe der Tat von großer Bedeutung." Nur so sei es möglich, "diese Tragödie aufzuarbeiten und Stück für Stück in eine Normalität, in einen normalen Alltag zurückzukehren". Scharf betonte, dass vor Ort ein gutes Krisenmanagement etabliert worden sei und alle eng zusammenarbeiteten. "Es ist jetzt ganz entscheidend, dass alle Beteiligen, vor allem die Menschen, die mit den Kindern arbeiten, mit einer ganz hohen Sensibilität und hoher Professionalität diesen Fall aufarbeiten", so Scharf.

Sie forderte außerdem, noch einmal über das Alter der Strafmündigkeit zu sprechen. "Wenn Kinder Kinder töten, dann ist das erschütternd", sagte sie. "Man muss im Nachgang, wenn der Fall aufgeklärt ist, die politische Diskussion noch einmal führen." Eine eigene Meinung dazu wollte sie aber noch nicht äußern. Dafür müsse man noch tiefer einsteigen. Wenn Kinder solche Taten begingen oder davon betroffen seien, sei viel Sensibilität gefragt – und keine Ad-hoc-Meinungen.

Kinder werden immer öfter zu Tätern

Es ist nicht der erste Fall dieser Dimension in jüngster Vergangenheit, bei dem die Tatverdächtigen minderjährig sind. Bundesweit für Entsetzen hatte zuletzt der gewaltsame Tod der 12-jährigen Luise aus Freudenberg in Nordrhein-Westfalen gesorgt, die durch zahlreiche Messerstiche starb. Zwei Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren haben die Tat gestanden.

In der vor kurzem vorgelegten Polizeilichen Kriminalstatistik für das vergangene Jahr 2022 stieg der Anteil von Kindern (0 bis unter 14 Jahre) an der Zahl der Tatverdächtigen um 35,5 Prozent auf 93.095 über alle Verbrechensbereiche hinweg. Damit wurde das Niveau des noch stark von Corona geprägten Vorjahres deutlich überschritten. Die Zahl lag auch um fast 28 Prozent höher als im Jahr 2019 (72.890).

Von Diebstahl bis hin zu Körperverletzung

BKA-Präsident Holger Münch wies bei der Vorstellung darauf hin, dass es sich bei den von Kindern verübten Taten ganz überwiegend um Ladendiebstahl, Sachbeschädigung, Beleidigung oder leichte Körperverletzung handelte. Münch sagte, hier könnten auch wirtschaftliche Aspekte wie Geldknappheit in den Familien als Folge der Inflation eine Rolle spielen. Auch lebten durch die Zuwanderung von Flüchtlingen aktuell viele Kinder und Jugendliche in Deutschland, die in jungen Jahren in Kriegsgebieten Gewalt erlebt hätten.

Ein weiterer Faktor sei Stress, betonte Münch und erinnerte daran, dass Minderjährige während der Corona-Pandemie durch Schulschließungen besonders hart getroffen waren. Kinder müssten gewaltfrei und in einem Umfeld aufwachsen, "in dem sie sich auch entwickeln können und eine reelle Chance haben, in der Leistungsgesellschaft anzukommen".

Diskussion um Strafmündigkeit von Minderjährigen

Mit dem aktuellen Fall aus Wunsiedel dürfte nun auch die Diskussion um die Strafmündigkeit von Minderjährigen wieder aufflammen. Kinder unter 14 Jahren sind grundsätzlich schuldunfähig - selbst bei schlimmen Verbrechen wie Mord oder Totschlag. Denn es wird davon ausgegangen, dass sie die Folgen ihres Handelns noch nicht ausreichend überblicken.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte kürzlich in der "Bild am Sonntag" gemahnt: "Jede Debatte über Anpassungen im Strafrecht sollte man mit kühlem Kopf führen." Die deutsche Rechtsordnung halte jenseits des Strafrechts Mittel bereit, um auch auf schwere Gewalttaten von Kindern unter 14 Jahren zu reagieren. "Das reicht bis hin zu einer geschlossenen Heimunterbringung und auch einer Unterbringung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie", sagte Buschmann.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Kinder- und Jugendkriminalität zeigten klar, dass in der Entwicklung befindliche Kinder eine andere Behandlung als Jugendliche oder Erwachsene bräuchten. Er betonte: "Strafunmündigkeit bedeutet aber eben nicht, dass derlei Taten für Kinder keine Folgen haben." Nach Auskunft einer Sprecherin seines Ministeriums hat sich an dieser Haltung Buschmanns auch durch die Ermittlungen zu dem Fall in Wunsiedel nichts geändert.

Mit Informationen von dpa und KNA

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