Grenzpolizisten kontrollieren Kleinlaster bei Freilassing.
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Grenzpolizisten kontrollieren Kleinlaster bei Freilassing.
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40 Jahre Schengen: Was wird aus dem Traum der Reisefreiheit?

40 Jahre Schengen: Was wird aus dem Traum der Reisefreiheit?

Die Schlagbäume sind verschwunden, viele Grenzkontrollen waren es lange auch: Die Reisefreiheit zählt zu den wichtigsten Errungenschaften der EU. Das Abkommen von Schengen feiert 40. Geburtstag, doch inzwischen kontrollieren 11 von 29 Staaten wieder.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Ein kleines Winzerdorf direkt an der Mosel. Europäische Flaggen wehen im Wind. Das ist Schengen, mitten im Dreiländereck Luxemburg, Deutschland und Frankreich. Robert Goebbels, ehemaliger Politiker aus Luxemburg, sitzt dort in einem Café und erzählt, wie alles angefangen hat, wie er per Zufall "ein bisschen in die Geschichte eingetreten" ist. Und zwar Mitte der Achtziger, in einer Zeit, in der der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl und der französische Staatspräsident Francois Mitterrand einen Traum träumten vom grenzenlosen Reisen und Wirtschaften in Europa.

Ein Abkommen über Reisefreiheit und offene Fragen

Gemeinsam mit den Benelux-Staaten unterzeichnen Deutschland und Frankreich 1985 das Schengen-Abkommen. Da war Robert Goebbels gerade luxemburgischer Staatssekretär und Gastgeber in Schengen. "Ein Treffen in sehr kleinem Rahmen, keine Regierungschefs, keine Außenminister, wenig Presse und damit auch wenig Aufmerksamkeit in den ersten Jahren." Wohl auch, "weil nach diesem Absichtsabkommen noch viele offene Fragen auftauchten", sagt Martina Kneipp, Direktorin des europäischen Museums in Schengen. Wie macht man das dann ganz genau? "Was passiert mit den Außengrenzen, dem Schutz der Außengrenzen? Wie arbeitet die Polizei zusammen?"

Grenzkontrollen fallen nach 10 Jahren

Zehn Jahre bis 1995 dauert es, bis all diese Fragen geklärt sind und die ersten Grenzkontrollen wirklich fallen. Das hat gerade für Grenzorte wie Schengen viel zum Positiven verändert, sagt Kneipp. Luxemburg hatte früher wenig Pendler, sagt sie. In den letzten 20 Jahren habe sich das extrem entwickelt. "Das ist auch etwas Gutes, dass man gar nicht mehr merkt, wenn man von einem Land in das andere kommt und dass es für einen ganz normal ist." Man müsse aber auch etwas dafür tun, damit es normal bleibt.

Schengen in der Midlife-Crisis

Aber wie viel gibt es wirklich noch zu feiern, 40 Jahre nach dem Abkommen? Raphael Bossong forscht für die Stiftung Wissenschaft und Politik unter anderem zur Europäischen Union. Er sieht das Schengen-Abkommen in der Midlife-Crisis. "Man kann auf einige Erfolge zurückschauen. Und so Zerfallserscheinungen sind ja auch schon da, ich würde nicht sagen, Schengen wird zusammenbrechen, aber es erodiert." Derzeit haben elf Schengen-Staaten diese Kontrollen wieder eingeführt. Eine der häufigsten Begründungen ist die sogenannte irreguläre Migration, gefolgt von Bedrohung durch Terrorismus und globalen Sicherheitslagen wie Russlands Krieg in der Ukraine.

Grenzkontrollen in Ausnahmefällen erlaubt die EU

Ausnahmen, um Kontrollen wieder einzuführen, sind offiziell bei der EU-Kommission angemeldet. Politikwissenschaftler Bossong sieht darin trotzdem einen schleichenden Vertrauensverlust in EU-Regeln. "Wenn das der Grundtenor ist, dass wir dem nicht mehr vertrauen, was wir da auch EU-Ebene verabschieden, dann weiß ich nicht, wo das aufhört."

Seit 2006 wurden im ganzen Schengenraum über 450 Ausnahmen angemeldet, um an Grenzen kontrollieren zu können. Dass manche dieser Kontrollen, allen voran die an der bayerisch-österreichischen Grenze schon seit rund zehn Jahren immer wieder verlängert werden, war so eigentlich nicht gedacht.

"Offene Grenzen sind es nicht, die Europa unsicherer machen"

Wie viel Freiheit, wie viel Kontrolle? Diese Diskussion ist aber tatsächlich schon so alt wie die Idee von Schengen selbst, nämlich rund 40 Jahre, erinnert sich der Luxemburger Robert Goebbels, einer der Erstunterzeichner. Auch in den Achtzigern gab es bereits Sorgen, offene Grenzen könnten Europa unsicherer machen. Robert Goebbels sieht das anders, "weil die Erfahrung zeigt, dass an den Binnengrenzen der Europäischen Union noch sehr selten Terroristen, internationale Verbrecher und so weiter gefasst wurden". Meistens geschehe das durch andere polizeiliche Maßnahmen. "Es sind nicht die Grenzen, die schützen. Es ist eine andere Politik." So wurde schon zu Beginn von Schengen ein gemeinsames grenzübergreifendes polizeiliches System eingeführt.

In Schengen, dem kleinen luxemburgischen Grenzdorf, ist das Jubiläum dann trotz aller innereuropäischen und auch nationalen Konfliktlinien groß gefeiert worden.

Wie die Verhandlungen in Schengen abliefen und was die Idee der europäischen Reisefreiheit an den EU-Außengrenzen verändert hat. All das hören Sie im BR24-Podcast "Die Entscheidung".

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