In keinem anderen Land der EU arbeiten Beschäftigte so viel wie in Griechenland. Im letzten Jahr waren es im Schnitt 39,8 Stunden pro Woche, also fast sechs mehr als in Deutschland, wie Zahlen des Statistischen Amtes der Europäischen Union zeigen. Und bald könnten Griechinnen und Griechen womöglich sogar noch mehr arbeiten. Kommende Woche wird die Möglichkeit zur Sechs-Tage-Woche eingeführt.
Griechenland führt Sechs-Tage-Woche offiziell ein
Startschuss ist am 1. Juli: Arbeitgeber können ihren Angestellten dann den Vorschlag unterbreiten, sechs anstatt bisher fünf Tage die Woche zu arbeiten. Das Angebot könnte sich für die Beschäftigten lohnen: Für den sechsten Arbeitstag erhalten sie qua Gesetz einen Aufschlag von 40 Prozent mehr Gehalt, handelt es sich dabei um Sonn- und Feiertage, gibt es sogar 115 Prozent zusätzlich. Über Gebühr sollen jedoch auch die Griechen nicht arbeiten, wie das neue Gesetz festlegt: 48 Stunden pro Woche sind demnach das Maximum.
Gewerkschaften kritisieren das Gesetz trotz der geplanten Zusatzzahlungen als Ausbeutung, doch Arbeitsminister Adonis Georgiadis lässt sich nicht beirren: "Da vor allem in der Industrie ein großer Mangel an Arbeitskräften herrscht, werden Überstunden geleistet – und die werden oft schwarz gezahlt", argumentierte er bei der Debatte zum Gesetz im Parlament. Mit der neuen Regelung hingegen erhielte jeder das Recht auf extra bezahlten Sondereinsatz und Schwarzarbeit werde der Riegel vorgeschoben.
Finanzkrise hat Fachkräftemangel verschärft
Der Fachkräftemangel in Griechenland ist vor allem auf die schwere Finanzkrise des Landes von 2010 bis 2018 zurückzuführen. Damals stand das Land kurz vor der Pleite und Hunderttausende gut ausgebildete junge Leute wanderten ab, um ihr Glück im Ausland zu suchen. Von diesem Brain-Drain hat sich Griechenland bis heute nicht erholt, auch wenn es mit der Wirtschaft aufwärts geht.
Der Mangel an Arbeitskräften trotz einer Arbeitslosenquote von aktuell rund 11 Prozent betrifft nicht nur Industriebetriebe und den IT-Sektor, sondern vor allem auch die Landwirtschaft und den Tourismus. Dort aber strebt die konservative griechische Regierung unter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis andere Lösungen an. So wird versucht, neue Saisonkräfte für die Ernte sowie Service- und Reinigungskräfte aus Ägypten, Indien und anderen Schwellenländern zu akquirieren.
Das neue Gesetz zur Sechs-Tage-Woche hingegen zielt auf Unternehmen ab, die zwölf oder auch 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche den Betrieb aufrechterhalten müssen – etwa Industriebetriebe, aber auch Telekommunikationsunternehmen und andere Dienstleister. Auch der öffentliche Sektor und Staatsunternehmen gehören zur Zielgruppe.
Söder lobt griechisches Modell
In Deutschland lobte zuletzt CSU-Chef Markus Söder das griechische Konzept und forderte von den Deutschen mehr Fleiß. "In Griechenland gibt es jetzt zum Beispiel eine Sechs-Tage-Woche, bei uns wird über eine Vier-Tage-Woche diskutiert. So werden wir den Rückstand nicht aufholen. Wir müssen wieder mehr arbeiten, aber mehr Arbeit muss sich dann auch lohnen", hatte er der "Bild-Zeitung" gesagt.
Auch in der Industrie wird die Vier-Tage-Woche kritisch gesehen. Siemens Personalvorständin Judith Wiese etwa warnte vor einer "heiklen Debatte". Siemens ist mit rund 320.000 Beschäftigten einer der größten privaten Arbeitgeber in Deutschland. Unter anderem die IG Metall drängt derzeit massiv auf die Vier-Tage-Woche.
Am Klinikum Fürth geht man diesen Weg bereits. Mit der Vier-Tage-Woche wollte das Klinikum sein Personal entlasten und den Pflegeberuf gleichzeitig wieder attraktiver für neue Bewerber machen. Etwa 15 bis 20 Prozent der Mitarbeitenden im OP- und Anästhesie-Bereich haben das neue Arbeitszeitmodell getestet. Die meisten wollen die Vier-Tage-Woche beibehalten.
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