Landwirt Jürgen Dierauff aus Markt Nordheim in Mittelfranken steht gerade vor einem Problem: Wie alle Schweinehalter muss er bis 1. August seinen Stall zertifizieren lassen und zwar in Haltungsstufen von 1 bis 5. Um nicht von der Stufe 2 in die 1 zu rutschen, muss er unter anderem Scheuerbalken einbauen und die Buchtenwände erhöhen.
Verwirrung um Tierhaltungslabel
Grund ist das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, das noch vom bisherigen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf den Weg gebracht wurde. Das Problem dabei: Es gibt bereits ein Haltungsformen-Label, das der Handel vor zehn Jahren mit der Initiative Tierwohl entwickelte und das im Supermarkt auf vielen Fleischpackungen klebt. Allerdings umfasste das nur vier Stufen. Die Folge: große Verwirrung. Soll es künftig zwei Logos zur Tierhaltung geben? Einmal mit vier, einmal mit fünf Stufen?
Handel gleicht Kennzeichnung an
Um das zu vermeiden, glich die Initiative Tierwohl ihre Haltungskennzeichnung an die gesetzliche an und erweiterte auf fünf Stufen. Das Problem für Landwirte wie Jürgen Dierauff ist nun allerdings: Auch die Kriterien der Haltungsstufen änderte sich.
Viele von Dierauffs Berufskollegen rüsten ihren Stall zurzeit nicht nach – zu aufwändig und zu teuer der Umbau, zu unsicher die politischen Rahmenbedingungen.
Nur noch Produkte aus hohen Haltungsstufen?
Noch ist nicht klar, ob die neue Bundesregierung am Tierhaltungs-Kennzeichnungsgesetz festhalten wird. Immerhin betonte der designierte Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) im BR, dass es für die Ställe mehr Planungssicherheit geben solle. Doch neben der Politik entscheiden vor allem die großen Lebensmittelhändler darüber, welche Ställe gebaut werden: Nehmen sie nur noch Fleisch und Wurst bestimmter Haltungsstufen ins Sortiment, müssen sich die Landwirte anpassen. Der Discounter Aldi-Süd will ab 2030 bei Frischfleisch, Milch und gekühlten Wurstwaren nur noch Produkte aus den Haltungsstufen 3, 4 und 5 ins Sortiment nehmen. Andere große Lebensmittelhändler folgen diesem Ziel.
Doch die Befürchtung vieler Landwirte: Wenn vom Einzelhandel nur noch Fleisch aus hohen Haltungsstufen abgenommen wird, ist das der neue Standard – und wird womöglich nicht mehr adäquat honoriert. Auf der anderen Seite gibt es noch viele Abnehmer, die keinen Wert auf Tierwohldeklarierung legen. Manche Metzgereien zum Beispiel, Exporteure und auch viele in der Gastronomie.
Tierwohl versus Emissionsschutz
Ein weiteres Problem für Landwirte, die ihren Stall tiergerecht umbauen wollen, damit die Tiere ins Freie können: die geruchlichen Emissionen, hauptsächlich Ammoniak. Das Gas entsteht, wenn Kot und Harn sich zu Gülle vermischen. Betroffen sind besonders Rinderhalter, die einen Laufstall bauen wollen. Je größer die Fläche, auf der sich die Tiere bewegen, desto mehr schädliche Gase entstehen, erklärt Barbara Benz von der Hochschule Nürtingen. "Das ist das Dilemma. Wir verbessern das Tierwohl, geben den Tieren mehr Platz und damit erhöht sich die Ammoniak-Emission."
Methoden zur Emissionsminderung
Doch es gibt dafür inzwischen Lösungen, die den Stallbau allerdings nicht einfacher machen. So können durch mechanische Mistschieber Kot und Harn voneinander getrennt werden. Durch abgetrennte Fress- und Liegeplätze können die Flächen, auf denen Ammoniak entsteht, reduziert werden.
Politische Rahmenbedingungen
In Baden-Württemberg werden beim Stallbau diese Zusatzmaßnahmen zur Emissionsminderung durch ein Förderprogramm finanziert. In Bayern noch nicht. Die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag hinsichtlich Stallbau einiges an Erleichterungen versprochen. So sollen genehmigungsrechtliche Hürden abgeschafft und 1,5 Milliarden Euro an Fördermitteln bereitgestellt werden. Unter den Landwirten ist die Skepsis dennoch groß. Stallbau bleibt eine große Herausforderung.
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