Ein junger Mann in der Ausbildung
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Abgelehnte Asylbewerber- schützt ein Job vor der Abschiebung?

Abgelehnte Asylbewerber- schützt ein Job vor der Abschiebung?

Immer wieder werden abgelehnte Asylbewerber abgeschoben – auch wenn sie hier arbeiten oder eine Ausbildung machen, manchmal sogar gefragte Fachkräfte sind. Ein Blick auf Rechtslage und bayerische Praxis.

Über dieses Thema berichtet: Stadt Land Leute am .

Zwei Jahre lang hatte Vahid Hazrati bei einem Passauer Pflegedienst gearbeitet. Nun soll der 34-jährige Iraner abgeschoben werden, falls er nicht freiwillig ausreist, denn sein Asylantrag wurde abgelehnt.

Weiterhin Ausreiseaufforderungen trotz Arbeit oder Ausbildung

Immer wieder bekommen Asylbewerber, die längst in Arbeit oder Ausbildung sind, eine solche Ausreiseaufforderung. Wie viele das in Bayern sind, ist unklar – eine Statistik darüber führt das bayerische Innenministerium nach eigenen Angaben nicht.

CSU und Freie Wähler hatten sich im Koalitionsvertrag 2023 aber vorgenommen: "Wir werden auf Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber dann verzichten, wenn ein fester Arbeitsplatz oder ein Ausbildungsvertrag besteht und keine Straftaten oder Gefährdungslagen vorliegen."

Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat sieht das als leeres Versprechen an: "Das ist eine reine Absichtserklärung, an der die beiden Parteien nicht wirklich Interesse hatten." Die Praxis sehe anders aus, so Dünnwald: "Obwohl es anders im Koalitionsvertrag steht, ist die Leitlinie der Staatsregierung: Abschiebung geht vor Ausbildung oder Arbeit." Dünnwald bezieht sich auf ein innenministerielles Schreiben, aus dem diese Leitlinie deutlich werde.

Rechtliche Lage: Ein Job schützt nicht vor Abschiebung

Das bayerische Innenministerium bestätigt auf BR-Anfrage, für abgelehnte Asylbewerber stehe "regelmäßig die Erfüllung der Ausreisepflicht – und wenn sie ihrer Verpflichtung im Rahmen einer freiwilligen Ausreise nicht nachkommen, die Durchsetzung im Wege der Abschiebung – im Mittelpunkt". Das sei bundesgesetzlich vorgeschrieben.

Tatsächlich unterscheidet das Asylgesetz nicht danach, ob Asylbewerber während ihrer Duldung arbeiten. Eine vorübergehende Arbeitserlaubnis, die die Ausländerbehörden Asylbewerbern während ihres laufenden Asylverfahrens erteilen, hat keine Auswirkungen auf die Entscheidung über den Asylantrag.

Bei Ablehnung könne deshalb ausschließlich eine weitere Duldung zum Verbleib führen, so das Ministerium weiter: "Ein Verbleib abgelehnter Asylbewerber im Bundesgebiet und eine Beschäftigung sind nur in Fällen möglich, in denen ein Duldungsgrund besteht, also tatsächliche oder rechtliche Gründe einer Abschiebung entgegenstehen."

In Einzelfällen gibt es Ausnahmen

Aber es gibt Ausnahmen, räumt das bayerische Innenministerium ein: Dem Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag werde durch "pragmatische, verantwortungsvolle Entscheidungen im Einzelfall" Rechnung getragen.

Stephan Dünnwald sieht diese Einzelfallentscheidungen aber weniger als Zeichen einer integrativen Politik mit Augenmaß an, sondern eher als Ausnahmen, die die Regel bestätigten – und die oft erst dann getroffen würden, wenn sich die Arbeitgeber direkt an die Politik wendeten. Meistens jedoch, das zeige die tägliche Erfahrung, hätten abgelehnte Asylbewerber trotz Job keine Chance zu bleiben.

Debatte um Pull-Effekte

Befürworter einer restriktiven Migrationspolitik führen als Argument häufig die Vermeidung sogenannter Pull-Effekte an: Ein Bleiberecht trotz Ablehnung des Asylantrags berge das Risiko, dass Menschen wegen der Aussicht auf Arbeit nach Deutschland kommen und sich dann in aussichtslosen Asylverfahren wiederfinden würden.

Herbert Brücker, Migrationsexperte am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und Professor an der Berliner Humboldt-Universität, sieht für Pull-Effekte jedoch keine Evidenz und hält den wirtschaftlichen Anreiz im Bereich der Fluchtmigration für vernachlässigbar.

Integration als volkswirtschaftlicher Faktor

Vielmehr betont VWL-Professor Brücker die ökonomischen Vorteile, die eine frühzeitige und dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt mit sich bringe: "Das Land Bayern gewinnt, die Volkswirtschaft gewinnt, die Unternehmen gewinnen."

Transferleistungen für Geflüchtete könnten eingespart werden, der Staat erzielte zudem Steuer- und Abgabeneinnahmen. Brücker nennt dieses Konzept eine "Win-Win-Situation" und resümiert: "Darum macht eigentlich eine restriktive Politik, wenn sie nicht aus Sicherheitsgründen oder aus ordnungspolitischen Gründen geboten ist, ökonomisch wenig Sinn."

Im Video: Pflegekraft aus dem Iran - Abschiebung trotz Integration

Pflegekraft aus dem Iran - Abschiebung trotz Integration
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Pflegekraft aus dem Iran - Abschiebung trotz Integration

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