Die Pressekonferenz an diesem Dienstagmittag läuft noch keine Viertelstunde, da holt Alexander Dobrindt ein Schaubild aus Pappe hervor. Zu sehen ist eine Reihe von Balken, die größer und größer werden. Der Bundesinnenminister will so vor Augen führen, wie stark die Zahl der Rechtsextremisten in den zurückliegenden Jahren gestiegen ist.
Zahl der Rechtsextremisten hat sich verdoppelt
Der Verfassungsschutz rechnet inzwischen mehr als 50.000 Menschen dieser Szene zu. "Das ist eine erschreckende Zahl", sagt der CSU-Politiker. Die Tendenz ist schon seit Jahren erkennbar, aber 2024 hat die Zahl der Rechtsextremisten nochmal einen deutlichen Sprung nach oben gemacht. Und in der Gesamtschau der vergangenen zehn Jahre habe sie sich mehr als verdoppelt, so Dobrindt.
Zu dieser Gruppe gehören dem Inlandsgeheimdienst zufolge 20.000 AfD-Mitglieder. Insgesamt hat die Partei dem Bericht zufolge über 50.000 Mitglieder. Der Verfassungsschutz führt die AfD als Verdachtsfall. Gegen eine Einstufung als gesichert rechtsextremistisch geht die Partei rechtlich vor. Auch Splittergruppen wie "Der III. Weg" werden im Verfassungsschutzbericht genannt. Die Partei hat demnach ihre Strukturen ausgebaut und verfügt mittlerweile über vier Landesverbände – unter anderem in Bayern.
Gefahr auch durch Linksextremisten und Islamisten
Auch die linksextremistische Szene hat sich vergangenes Jahr vergrößert. Der Verfassungsschutz zählt inzwischen 38.000 Menschen dazu. Die Gefahr durch Islamisten bleibt dem Bericht zufolge ebenfalls hoch: Diesem Spektrum werden aktuell mehr als 28.000 Personen zugeordnet. Welche Gefahren damit verbunden sind, haben beispielsweise die Anschläge von Mannheim und Solingen gezeigt, für die die Ermittler IS-Sympathisanten verantwortlich machen. Als ein Grund für die zunehmende Radikalisierung wird bei der Pressekonferenz der Krieg im Nahen Osten genannt, der von antisemitischen Kräften instrumentalisiert werde.
Der Vizepräsident des Verfassungsschutzes benennt eine weitere Herausforderung: "Wir sehen immer jüngere Menschen, die sich online radikalisieren", sagt Sinan Selen. Er spricht von jungen Subkulturen im Netz, die "äußerst gewaltaffin" seien. Ein Phänomen, das der Verfassungsschutz sowohl im Islamismus als auch in der rechtsextremistischen Szene beobachtet. Vor Kurzem erst ist am rechten Rand eine mutmaßliche Terrorzelle aufgeflogen, deren Mitglieder bei Gründung alle noch minderjährig gewesen sein sollen.
Zunahme von Extremismus: Grüne fordern Konsequenzen
Teile der Opposition im Bundestag sehen in dieser Entwicklung ein Alarmzeichen. Marlene Schönberger von den Grünen sagt BR24: "Der Rechtsextremismus ist und bleibt die größte Bedrohung für unsere Demokratie und die Sicherheit aller, die er zu seinen Feinden erklärt." Die Innenpolitikerin aus Niederbayern fordert mehr Vorbeugung und Bildungsarbeit, "um der zunehmenden Radikalisierung junger Menschen wie zuletzt bei der sogenannten 'Letzten Verteidigungswelle' entgegenzuwirken". Damit bezieht sich Schönberger auf die oben erwähnte Gruppierung.
Außerdem erinnert die Grünen-Abgeordnete daran, dass queere Menschen zunehmend zur Zielscheibe von Extremisten werden. Dies belegten die "zahlreichen Angriffe auf CSDs" – also Christopher-Street-Day-Kundgebungen. Nicht-heterosexuelle Lebensentwürfe als Feindbild von Radikalen: Das Problem wird auch im Jahresbericht des Verfassungsschutzes aufgegriffen. Auch hier beobachtet der Inlandsgeheimdienst zunehmende Onlineaktivitäten, die sich an junge Menschen richten.
Zentralrat der Juden nennt Entwicklung "alarmierend"
Den zunehmenden Extremismus unter jungen Menschen sieht auch der Zentralrat der Juden in Deutschland mit Sorge. Die Nachrichtenagentur KNA zitiert dessen Präsidenten Josef Schuster mit den Worten, die Entwicklung sei "alarmierend". Er erwarte Konsequenzen: mehr Prävention und eine wirksame strafrechtliche Verfolgung.
Der Vizepräsident des Verfassungsschutzes kündigt an, entsprechende Onlineaktivitäten verstärkt ins Visier zu nehmen. Man setze hier auch auf eine Zusammenarbeit mit Plattformbetreibern. Einzelne Maßnahmen wurden bei der Presskonferenz in Berlin noch nicht genannt. Dafür gab es das Versprechen, die Behörde insgesamt zu stärken – und dann auch den Kampf gegen die Radikalisierung junger Menschen zu konkretisieren.
Im Video: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt zum Verfassungsschutzbericht
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt im BR24-Interview
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