Apps der Internethändler Temu und Shein auf dem Display eines Smartphones (Symbolbild)
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Billig, aber nicht sicher: Mehr Kontrolle von Temu, Shein & Co.

Billig, aber nicht sicher: Mehr Kontrolle von Temu, Shein & Co.

Onlinehändler aus Asien verschicken Milliarden Pakete an Käuferinnen und Käufer in der Europäischen Union – offenbar ohne ausreichend auf Produktsicherheit zu achten. So lautet der Vorwurf. Das EU-Parlament will das nun ändern.

Der Teddybär auf der Seite des Billig-Onlinehändlers Temu sieht süß aus und kostet nur ein paar Euro. Nach den Worten der grünen Europaabgeordneten Anna Cavazzini handelt es sich allerdings wohl um einen Problembären, der mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht den EU-Vorgaben für Produktsicherheit entspricht: Kleinkinder könnten die Augen verschlucken, das Fell könnte giftig sein, betont Cavazzini, die im EU-Parlament dem Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vorsitzt. Falls wirklich etwas passiert, haben Geschädigte nach ihrer Darstellung oft keinen Zugang zum Hersteller außerhalb der EU.

Vier Milliarden Pakete

Wie die Grünen-Politikerin wollen viele Europaabgeordnete dafür sorgen, dass Produkte und Dienstleistungen preiswerter werden - wie bei der Abschaffung der Roaming-Zuschläge in der EU - und sicherer. Der schnell wachsende Online-Handel über chinesische Plattformen stellt dabei eine besondere Herausforderung dar, denn die Produkte sind häufig sehr billig, aber nicht sicher. Trotzdem steigt die Nachfrage rasant: Online-Riesen wie Shein, Temu oder Aliexpress werden in diesem Jahr schätzungsweise vier Milliarden Pakete in die EU verschicken. Dem stünden Zoll und Marktüberwachung in den EU-Mitgliedsstaaten hilflos gegenüber, erklärt Cavazzini.

Rasant wachsender Marktanteil

Nach Angaben des EU-Statistikamtes Eurostat kaufen drei von vier EU-Bürgerinnen und -Bürgern Produkte online. Daran haben Onlinehändler aus Drittstaaten einen stark steigenden Anteil – er ist seit 2017 pro Jahr jeweils um ein Fünftel gewachsen.

Plattformen aus China stehen dabei vorne: 45 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher, die in Drittländern einkaufen, haben laut DHL im Jahr 2023 chinesische Produkte gewählt. Weltweit lag der US-Konzern Amazon vor der chinesischen Plattform Aliexpress, danach folgten Shein aus Singapur und der Online-Marktplatz Temu mit Sitz in Shanghai.

Nach Angaben des europäischen Verbraucherverbandes Beuc fallen zwei Drittel der auf Online-Marktplätzen gekauften Produkte bei Sicherheitstests durch. Der Verband europäischer Spielzeughersteller (TIE) behauptet, dass in einer Stichprobe 95 Prozent der über Temu gekauften Produkte der chinesischen Konkurrenz gegen EU-Sicherheitsvorschriften verstießen.

Zweierlei Maß?

Nach Ansicht mancher Abgeordneter misst die EU mit zweierlei Maß: Was innerhalb der EU über den Ladentisch geht, muss hohe Auflagen bei der Produktsicherheit erfüllen, aber Online-Lieferungen aus Drittstaaten werden zu wenig kontrolliert. Das sei schlecht für die europäischen Verbraucher und nachteilig für Unternehmen in der EU.

Der SPD-Handelsexperte Bernd Lange verlangt, an Online-Bestellungen von außerhalb der EU die gleichen Standards anzulegen wie an Verkäufe in der Union. Der Christdemokrat Andreas Schwab fordert die zuständigen Behörden in den EU-Mitgliedsstaaten - Zoll und Marktaufsicht - auf, enger zusammenzuarbeiten. Es gebe zwar ein einheitliches europäisches Zollrecht, aber weiter 27 unterschiedliche Zollsysteme.

Schnellere Zollreform

Die EU verhandelt gerade über eine Zollreform. Sie sieht unter anderem vor, auch Pakete unterhalb eines Wertes von 150 Euro für zollpflichtig zu erklären. So könnten Risikoprodukte leichter herausgefischt werden.

In der Parlamentsdebatte forderten Europaabgeordnete die Regierungen der Mitgliedsstaaten auf, die Reform schnell umzusetzen. Die EU-Kommission verweist darauf, dass sie mit dem Gesetz über digitale Dienste (DSA) inzwischen über ein wirkmächtiges Werkzeug im Umgang mit großen Online-Plattformen verfüge. Die müssen demnach illegale Produkte aus ihrem Angebot nehmen, wenn sie davon Kenntnis erlangen und können mit hohen Geldbußen belangt werden, wenn sie gegen die Regelungen verstoßen.

Brüssels neues Instrument

Die Kommission hat Temu zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate aufgefordert, Informationen über den Umgang mit potenziell gefährlichen Produkten auf der Plattform zu übermitteln. Sollte Brüssel mit den Antworten nicht zufrieden sein, droht Temu ein förmliches Verfahren.

Gegen Aliexpress hat die Kommission ebenfalls eine Untersuchung wegen des Vertriebs mutmaßlich gefälschter Medikamente eröffnet. Sie wirft der Tochtergesellschaft des chinesischen Großhändlers Alibaba vor, Verpflichtungen zur Produktsicherheit nicht einzuhalten.

Europaabgeordneten von Christdemokraten, SPD und Grünen reicht das aber nicht – sie verlangen von der Kommission, zum Schutz der Verbraucherrechte energischer durchzugreifen.

Video: TikTok, Temu, Huawei: Will China mit Technologie die Welt erobern? | Possoch klärt

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