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Das Bürgergeld soll durch eine Grundsicherung mit schärferen Regeln abgelöst werden
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Bürgergeld-Reform: Echte Erneuerung oder Etikettenschwindel?

Bürgergeld-Reform: Echte Erneuerung oder Etikettenschwindel?

Die Regierungskoalition aus CDU, SPD und CSU will das Bürgergeld spätestens im Frühjahr 2026 durch eine Grundsicherung mit strengeren Regeln ersetzen. Wirtschaftsverbände begrüßen das Vorhaben. Von Sozialverbänden und Gewerkschaften kommt Kritik.

Über dieses Thema berichtet: BR24 TV am .

Nach der Einigung der Regierungskoalition auf eine Umgestaltung des bisherigen Bürgergelds gibt es Zustimmung, aber auch heftige Kritik. Mit der geplanten Grundsicherung soll es künftig möglich sein, alle Leistungen inklusive Mietzahlungen zu streichen, wenn Meldetermine wiederholt nicht wahrgenommen werden. Aus Sicht des Großhandelsverbands ist die Rückkehr zum Prinzip Fördern und Fordern der richtige Schritt. "Endlich geht es voran", so BGA-Präsident Dirk Jandura. Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer begrüßt die verabredete Reform des Bürgergelds, Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger hofft auf eine "echte Erneuerung" des Sozialstaats.

Zweifel an Verfassungsmäßigkeit

Skeptischer zeigt sich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die angekündigten Reformen des Sozialstaats seien größtenteils Etikettenschwindel, erklärte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Die Umbenennung und die verschärften Sanktionen würden weder spürbar mehr Menschen in Arbeit bringen, noch dem Staat nennenswert Geld sparen.

Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Yasmin Fahimi, bezweifelt sogar, dass die geplanten "drakonischen Strafen" verfassungsgemäß seien, insbesondere die vorgesehene Komplett-Streichung des Bürgergelds in manchen Fällen.

Sozialverbände warnen: Kühlschrank dürfte oft leer sein

Auf Kritik stieß die Einigung auch bei Sozial- und Wohlfahrtsverbänden: Die Abschaffung einer Karenzregelung für Wohnkosten könne viele Betroffene in ernste finanzielle Schwierigkeiten bringen, sagte die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, der Funke-Mediengruppe. Die Praxis zeige, dass schnelle Umzüge oft schwierig seien, gerade auf dem angespannten Wohnungsmarkt. Auch wenn die tatsächlichen Kosten höher seien, bleibe Betroffenen künftig nur noch der Regelbedarf für die Miete. "Entsprechend leer dürfte der Kühlschrank am Ende des Monats sein", so Engelmeier. Die Diakonie sprach wegen des Verwaltungsaufwands zudem von einem "Bürokratie-Monster".

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch verteidigte am Freitag die geplanten Reformen. Das Hilfesystem werde nur Akzeptanz bei der arbeitenden Bevölkerung behalten, wenn sich der Staat nicht auf der Nase herumtanzen lasse, sagte Miersch in Berlin. Er äußerte sich nach einer Sondersitzung seiner Fraktion zu dem Thema. Es habe dort eine "überwiegende Zustimmung" gegeben, so Miersch.

"Katastrophe für Betroffene und Wehrlose"

Helmuth, Anfang 60, aus München hat nach eigenen Angaben Bürgergeld beantragt, aber bislang noch keine Antwort vom Jobcenter, geschweige denn Geld erhalten. Wir treffen ihn auf dem Weg zur Suppenküche im Stadtteil Thalkirchen, wo er sich für eine kostenlose Mahlzeit anstellen müsse, weil er derzeit keine finanzielle Unterstützung mehr erhalte, beklagt er. Als arbeitslose Pflegekraft bewerbe er sich seit zwei Jahren um eine Stelle, bekomme aber nur Absagen. Die Pläne der Regierungskoalition beim Bürgergeld bringen ihn in Rage: "Eine völlige Katastrophe für die Betroffenen und für die Wehrlosen."

Das Bürgergeld wurde 2023 unter der Ampel-Regierung eingeführt. Damit wurden die bis dahin geltenden Hartz-IV-Regelungen abgelöst. Bereits im Koalitionsvertrag verständigten sich Union und SPD auf eine Reform des Bürgergelds.

Aktuell beziehen rund vier Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter die Sozialhilfe, etwa 800.000 stocken ihr geringes Einkommen damit auf. Zusätzlich gibt es etwa 1,4 Millionen nicht erwerbsfähige Empfänger, darunter Kinder und Jugendliche und gesundheitlich eingeschränkte Menschen. Etwas mehr als die Hälfte der Bezieher sind deutsche Staatsbürger. Unter den Empfängern mit ausländischem Pass stammte der größte Anteil mit rund 700.000 aus der Ukraine.

Experten bezweifeln Effekt bei Kosten

Experten bezweifeln, ob die Kosten für die neue Grundsicherung für den Staat aufgrund der Verschärfungen nennenswert sinken werden. Zuletzt sprachen die Jobcenter innerhalb eines Jahres (aktuelle Zahlen von Juni 2024 bis Mai 2025) gegen rund 202.000 Menschen Sanktionen aus. Betroffen waren also nicht einmal fünf Prozent der Bürgergeldempfänger.

Mit Informationen von KNA

Im Video: Was bringt die Bürgergeldreform und wen betrifft sie?

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) im Bundestag
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Die Bundesregierung will das Bürgergeld neu ordnen - und dabei auch die Regeln für Sanktionen verschärfen.

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