Während ihrer fünfjährigen Amtszeit hat sich die scheidende Wehrbeauftragte den Ruf erworben, den Interessen der Soldaten mit großem Einsatz Gehör zu verschaffen. "Die Zusammenarbeit mit Eva Högl war wirklich sehr gut", so die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni im BR24-Interview.
Immer wieder monierte die SPD-Politikerin Högl eine unzureichende Ausstattung der Bundeswehr, beispielsweise bei der Vorstellung ihres aktuellen Jahresberichts im März: "Die Bundeswehr hat nach wie vor von allem zu wenig." Bei der Gelegenheit zählte sie auf, was aus ihrer Sicht alles fehlt – etwa Munition und Ersatzteile.
Wehrbeauftragter soll Ohr für Soldaten haben
Högl brachte es im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben auf 100 Truppenbesuche. Eine Möglichkeit, ins Gespräch mit Soldaten zu kommen. Solche Besuche können auch unangemeldet stattfinden, damit sich die Wehrbeauftragte ein ungeschöntes Bild von der jeweiligen Kaserne machen kann.
Nun also soll Högl vom CDU-Abgeordneten Henning Otte abgelöst werden. So haben es Union und SPD vereinbart – an diesem Mittwoch steht die Wahl im Bundestag an. Der Niedersachse sitzt seit rund 20 Jahren im Parlament. Als Verteidigungspolitiker kennt er sich mit der Bundeswehr aus. Und in jungen Jahren hat er sich in seiner Heimatstadt Celle zum Reserveoffizier ausbilden lassen.
Henning Otte als neuer Wehrbeauftragter nominiert
Im Bundestag gehört der 56-Jährige zu denen, die sich klar für die militärische Unterstützung der Ukraine einsetzen. Kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs stellte Otte fest: "Hier geht es um das nackte Überleben der Ukraine im Kampf gegen Putins Angriffskrieg."
Allerdings hat die Waffenhilfe für das angegriffene Land zunächst Lücken bei der Bundeswehr gerissen. Diese müssen nach und nach gefüllt werden: mit neuem Material der Rüstungsindustrie. Otte gilt als ein Abgeordneter, der in der Branche gut vernetzt ist. Bis zum Herbst 2023 war der CDU-Politiker ehrenamtlich als Vizepräsident des Förderkreises Deutsches Heer tätig. Ein Verein, in dem Politik und Wirtschaft zusammenkommen.
Linke kritisiert Otte wegen angeblicher Nähe zur Industrie
Die Linke im Bundestag wirft Otte eine zu große Nähe zur Rüstungsindustrie vor. Das macht Parteichef Jan van Aken im BR24-Gespräch deutlich. Grundsätzlich würde er auch jemanden aus einer anderen Partei zum Wehrbeauftragten wählen, so der Abgeordnete der Linken. Aber nur, wenn sich der Bewerber nach seinem Eindruck für die Interessen der Soldaten einsetze. "Das sehe ich bei Herrn Otte überhaupt nicht." Mit den Stimmen der Linken könne Otte also nicht rechnen. Wenn die schwarz-rote Mehrheit steht, braucht Otte allerdings keine Unterstützung aus anderen Fraktionen.
Die Grünen bewerten das Verhältnis des CDU-Politikers zur Industrie anders als die Linke. Die Verteidigungspolitikerin Nanni geht davon aus, dass sich Otte "nicht vor den Karren spannen lassen wird". Vielmehr werde er darauf achten, dass die Industrie bestellte Waffen auch liefere, so die Grünen-Abgeordnete.
Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten künftig bei fünf Prozent?
Am Geld dürfte es jedenfalls nicht scheitern. Schwarz-Rot hat Verteidigungsausgaben ja weitgehend von der Schuldenbremse ausgenommen – mithilfe der Grünen. Interessant wird aber sein, ob und wie sich der künftige Wehrbeauftragte in der Diskussion über den deutschen Beitrag zur Nato positioniert. Außenminister Johann Wadephul, ein Parteifreund Ottes, hat bereits signalisiert, dass Deutschland künftig fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben könnte. Wohl in der Hoffnung, US-Präsident Donald Trump vor dem Nato-Gipfel im Juni milde zu stimmen.
Der Vorstoß von Wadephul war offenbar nicht mit Verteidigungsminister Boris Pistorius abgestimmt. Der SPD-Politiker reagierte schmallippig auf den Vorschlag aus dem Auswärtigen Amt. Und auch Nanni kritisiert den Außenminister. Die Bundesregierung sollte nicht nach dem Prinzip verfahren: "Was auch immer Trump fordert, da geht Deutschland mit." Denn aus Washington seien weitere Forderungen zu erwarten – beispielsweise nach zusätzlichen Rüstungskäufen in den USA.
Im Gespräch ist auch, dass sich die Nato-Staaten auf das Ziel von 3,5 Prozent an Verteidigungsausgaben im engeren Sinn einigen. Und zusätzlich 1,5 Prozent für Verteidigung im weiteren Sinn stemmen – etwa für strategisch wichtige Straßen und Brücken. So käme man auch auf die von Trump geforderten fünf Prozent.
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