Kirchliches Arbeitsrecht
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Ist die Kirchenmitgliedschaft Voraussetzung, um bei der Kirche arbeiten zu dürfen? Darüber hat nun das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Bildrechte: picture alliance / KNA | Julia Steinbrecht
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Ist die Kirchenmitgliedschaft Voraussetzung, um bei der Kirche arbeiten zu dürfen? Darüber hat nun das Bundesverfassungsgericht entschieden.

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Bundesverfassungsgericht stärkt kirchliches Arbeitsrecht

Bundesverfassungsgericht stärkt kirchliches Arbeitsrecht

Wenn die Kirche einen Bewerber für einen Job ablehnt, weil er kein Kirchenmitglied ist, sei das nicht ohne Weiteres eine Diskriminierung. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und damit das kirchliche Arbeitsrecht gestärkt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Bayern am .

Dürfen kirchliche Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern verlangen, dass sie Kirchenmitglied sind? Müssen Gemeindereferentinnen und -referenten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bistums-IT, Erzieherinnen und Erzieher, Pfarrsekretärinnen oder Hausmeister in einem kirchlichen Kindergarten auch selbst zur Kirche gehören, oder ist das Diskriminierung?

Darüber hat nun das Bundesverfassungsgericht beraten und das religiöse Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gestärkt. Der Zweite Senat beantwortet damit die Grundsatzfrage, wie loyal kirchliche Beschäftigte zu den Glaubensinhalten ihres Arbeitgebers sein müssen.

Ablehnung konfessionsloser Bewerber - nicht automatisch Diskriminierung

Verlangen religiöse Arbeitgeber für eine ausgeschriebene Stelle eine Kirchenmitgliedschaft, steht übergangenen konfessionslosen Bewerbern nicht ohne Weiteres eine Diskriminierungsentschädigung zu, so die Karlsruher Richter in einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung.

Das Bundesverfassungsgericht entschied im Rechtsstreit zwischen der konfessionslosen Sozialpädagogin, Vera Egenberger, und der evangelischen Diakonie. Die aus der Kirche ausgetretene Frau hatte sich 2012 um eine Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben - ohne Erfolg.

Bei dem befristeten Job ging es um die Mitarbeit an einem Bericht von Nichtregierungsorganisationen zur deutschen Umsetzung der UN-Antirassismus-Konvention. In der Ablehnung des evangelischen Wohlfahrtsverbands sah die konfessionslose Bewerberin eine Diskriminierung aus religiösen Gründen und klagte auf Entschädigung.

Diskriminierungsverbot oder Selbstbestimmungsrecht der Kirchen?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet in Deutschland zwar eine Diskriminierung aus religiösen Gründen im Beruf, sieht aber eine Ausnahme für Religionsgemeinschaften vor. Lange hatten die Gerichte, auch das Bundesverfassungsgericht, den Kirchen im Arbeitsrecht daher große Freiheiten eingeräumt. Trotzdem gab es zunehmend Kritik am kirchlichen Sonderweg.

Zuletzt entschied der Europäische Gerichtshof 2018, dass sich die Kirchen bei Stellenbesetzungen nicht pauschal auf ihr Selbstbestimmungsrecht berufen können, sondern die geforderte Kirchenmitgliedschaft im Einzelfall begründen müssen. Die Richter argumentierten mit der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt sprach Egenberger daraufhin eine finanzielle Entschädigung zu, worauf die Diakonie 2019 in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einlegte.

Allerdings haben die katholische und evangelische Kirche vor einigen Jahren ihre Einstellungsvoraussetzungen und das kirchliche Arbeitsrecht reformiert. Die Deutsche Bischofskonferenz beschloss 2022, dass der "Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre", rechtlichen Bewertungen entzogen wird. Seitdem droht Personen ohne Kirchenmitgliedschaft, aber auch geschiedenen Wiederverheirateten und Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen keine Kündigung mehr und auch bei der Neubesetzung von Stellen spielt dies nun keine Rolle mehr.

Kirchen haben bereits Reformen durchgeführt

Lediglich bei Personen im pastoralen und katechetischen Dienst, etwa Pastoralreferenten und Religionslehrerinnen, sowie bei Mitarbeitenden, die das kirchliche Profil einer Einrichtung prägen, also bei Führungskräften, wird die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche verlangt. Anstoß der Reform vor drei Jahren war die Initiative "Out In Church". Queere Menschen, die haupt- und ehrenamtlich in der katholischen Kirche tätig sind, hatten sich gemeinsam geoutet und mit einer Petition öffentlich gefordert, das Arbeitsrecht der katholischen Kirche zu reformieren.

Ähnlich ist es inzwischen bei der evangelischen Kirche geregelt. Seit 2023 ist die Kirchenmitgliedschaft nur noch in bestimmten Bereichen zwingende Voraussetzung: bei der Verkündigung, der Seelsorge, der evangelischen Bildung und in Führungspositionen. Das Arbeitsrecht, das in dem konkreten Fall Egenberger zugrunde liegt, gilt in der Form heute also gar nicht mehr.

Christliche Kirchen gehören zu den größten Arbeitgebern

Nach dem öffentlichen Dienst sind die beiden christlichen Kirchen der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Diakonie und Caritas beschäftigen bundesweit rund 1,8 Millionen Menschen. Die meisten Menschen arbeiten im sozialen Bereich: in Kindergärten, Pflegeheimen, Krankenhäusern und den Wohlfahrtsverbänden. In Bayern arbeiten beispielsweise 100.000 Personen für evangelische Kirche und Diakonie. Mit mehr als 16.000 Mitarbeitern ist das Erzbistum München und Freising der größte Arbeitgeber in Oberbayern.

Hinzu kommt, dass der Fachkräftemangel auch den Kirchen zunehmend Probleme bereitet. In vielen Stellenbesetzungsverfahren spielt die Kirchenmitgliedschaft schon länger keine Rolle mehr, um den Kreis fachlich geeigneter Bewerber nicht noch zusätzlich zu verkleinern. Damit versuchen die Kirchen und ihre Verbände zu verhindern, dass Stellen möglicherweise gar nicht besetzt werden können.

Mit Informationen der KNA.

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