Die Urlaubssaison hat begonnen, die Sommerferien stehen vor der Tür und am Münchner Flughafen herrscht bereits reger Betrieb. Nur: Fliegen ist schlecht für das Klima. Doch der CO₂-Ausstoß von Flügen lässt sich ausgleichen. Jutta Kill, Gutachterin für Kompensationsprojekte, erklärt das Konzept: Emissionen, die an einer Stelle entstehen, sollen an anderer Stelle eingespart oder ausgeglichen werden, damit "dadurch bilanziell eine Null herauskommt".
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Klimaschäden ausgleichen
Der Schaden fürs Klima soll also ausgeglichen werden. Dazu werden dann zum Beispiel neue Bäume gepflanzt, Wälder vor Abholzung geschützt oder Windparks gebaut. Auf den ersten Blick klingt das sinnvoll. Einige der Reisenden am Münchner Flughafen kompensieren tatsächlich. Es sei ja nicht teuer, da gebe man einfach "ein paar Euro mehr", sagt eine Frau, dann sei "das Gewissen beruhigt". Sie gibt aber zu, es sei auch nur für das Gewissen. Dass Fliegen nicht so toll ist, wüssten ja alle.
Audi und BMW kompensieren CO₂-Ausstoß
Nicht nur Privatleute können ihre Emissionen ausgleichen. Das machen auch große Unternehmen wie Audi und BMW. Bei ihnen geht es allerdings um wesentlich mehr CO₂. Audi etwa möchte klimaneutral produzieren und setzt dabei auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz. In einem Schreiben von Audi an den BR heißt es:
"Den bilanziell CO2-neutralen Betrieb unserer Produktionsstandorte erreichen wir durch eine vierstufige Vorgehensweise: Die Steigerung der Energieeffizienz, die Eigenerzeugung sowie der Zukauf von regenerativ erzeugter Energie."
Allerdings: Etwa zehn Prozent der Emissionen lassen sich nur schwer einsparen. Um dennoch klimaneutral zu produzieren, lässt sie Audi kompensieren. Dazu kauft der Autohersteller Gutschriften zur CO₂-Kompensation. Die versprechen, die Emissionen an anderen Orten einzusparen. CO₂-Sünden ausgleichen klingt zunächst gut. Laut Jutta Kill funktioniert das in der Realität allerdings nicht. Der Grund: Die Standards, an denen CO₂-Einsparungen bemessen werden, sind fehlerhaft.
Jutta Kill kritisiert, dass eines der großen Probleme bei den Standards unabhängig vom Betreiber sei, dass die angeblich eingesparten Emissionen enorm überschätzt werden könnten. Davon seien insbesondere die Waldprojekte betroffen. Auch Kochofenprojekte stünden in der Kritik, sehr viel mehr Einsparungen errechnet zu haben, als tatsächlich plausibel gewesen seien.
Zu viele Einsparungen errechnet durch Kochöfen
Bei Kochofenprojekten werden effiziente Kochherde an Menschen in Entwicklungsländern verteilt. Dabei werde angenommen, so Kill, dass der Großteil des Holzes, der durch einen energieeffizienteren Kocher eingespart werden soll, nicht nachhaltiges Holz wäre. In der Realität hat sich aber gezeigt, dass mehr nachhaltiges Brennholz verwendet wird, als die Betreiber annehmen. Die Konsequenz: Projektbetreiber errechnen viel zu hohe Einsparungen, die in der Realität gar nicht stattgefunden haben.
Auch BMW unterstützt umstrittene Kochofen-Projekte
Auf Nachfrage antwortet BMW dem BR:
"Zwar kennen wir Aussagen, denen zufolge bestimmte Kompensationen mit Kochstellen nicht die erwünschten Ergebnisse erzielen sollen – doch haben Rückfragen bei unseren Partnern ergeben, dass diese Kritik nicht auf die von der BMW Group unterstützten Projekte zutrifft."
Viel Kritik also an CO₂-Kompensation. Das Hauptproblem ist: Sie unterliegt in der Regel keiner staatlichen Kontrolle. Am Ende schafft die CO₂-Kompensation vor allem eines. Das Gewissen zu beruhigen.
Im Video: Was bringt CO2-Kompensation?
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