Geschlossene Schulen, abgeschirmte Pflegeheime, kein Kino, keine Bar. Nicht einmal alleine auf einer Parkbank durfte man zeitweise ein Buch lesen. Die Maske wurde zum ständigen Begleiter, während die Einsamkeit zunahm – von Kindern und von alten Menschen. Familien und Freunde zerstritten sich über Impfungen. Tausende Menschen demonstrierten gegen die Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten. Die Corona-Pandemie war der tiefste gesellschaftliche Einschnitt seit dem Zweiten Weltkrieg. Bis heute sind die Wunden in der Gesellschaft zu sehen. Zur Aufarbeitung der Corona-Zeit wurde am Donnerstag eine Enquete-Kommission eingesetzt.
"Beitrag zur gesellschaftlichen Versöhnung"
Die Kommission hat den Auftrag, Lehren aus der Pandemie zu ziehen. Es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, auf künftige Krisen besser vorbereitet zu sein. Erst einmal werden die 28 Mitglieder Daten und Fakten, Ursachen und Erkenntnisse zusammentragen. Waren beispielsweise die Ausgangssperren überzogen? Mussten die Schulen so lange schließen? Sollten alte Menschen wirklich alleine sterben? Diese Fragen haben während der Pandemie die Gesellschaft aufgewühlt.
Der Grünen-Abgeordnete Helge Limburg sagte in der Debatte im Bundestag, die Kommission solle ein "kleiner Beitrag zur gesellschaftlichen Versöhnung sein". Sie wünsche sich, dass "Politik in der Lage ist, Fehler zu erkennen", so die SPD-Abgeordnete Lina Seitzl. Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner dagegen attestierte einem solchen Gremium, man wolle ohnehin nur den "Mantel des Schweigens" darüberlegen und ein bisschen "rumlabern". Die AfD forderte einen Untersuchungsausschuss zur Corona-Pandemie.
Enquete-Kommission: Gremium zur Lösungssuche
Union, SPD, Grüne und Linke haben sich bewusst für die Einsetzung einer Enquete-Kommission entschieden. Das ist ein Gremium, das nicht nach Schuldigen sucht, sondern in aller Ruhe, möglichst neutral auf die Dinge schaut – oder es zumindest versucht. Der CDU-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt formulierte es so: In einem Untersuchungsausschuss würden "keine Lösungen gesucht", dort herrsche vielmehr "Kampf und Streit". Bei einem Untersuchungsausschuss steht immer auch ein Auftrag dahinter – etwa herauszufinden, ob ein Minister gelogen hat oder Masken viel zu teuer einkauft hat.
Spahns Masken kein Thema der Kommission
Die Maskenbeschaffung unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wird bei den Beratungen in der Enquete-Kommission keine Rolle spielen. Linke und Grüne fordern dazu einen eigenen Untersuchungsausschuss des Bundestags. Bislang fehlt ihnen dazu die Mehrheit, sie bräuchten für die Einsetzung Stimmen aus der Union oder der SPD. Gemeinsam mit der AfD wollen weder die Grünen noch die Linken über die Einsetzung eines solchen Ausschusses abstimmen.
Empfehlungen für künftige Krisen
Zwei Jahre hat die Kommission nun Zeit, in Ruhe über die Vergangenheit zu reden, aber auch um Empfehlungen für die Zukunft auszusprechen. Diese werden für die Politik nicht bindend sein. Dem Gremium werden 14 Mitglieder aus Wissenschaft und Gesellschaft sowie 14 Vertreter aus der Politik angehören. Die Zusammensetzung erfolgt nach Fraktionsstärke im Bundestag: fünf Mitglieder der Union, drei von SPD und AfD, zwei Mitglieder werden die Grünen entsenden und ein Mitglied kommt von der Linken. Die Union schlug die Hamburger Abgeordnete Franziska Hoppermann als Vorsitzende vor. Weitere Namen sind noch nicht öffentlich bekannt.
Im Video: Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie
Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!