Der EU-Gerichtshof erhöht die Hürden bei der Bestimmung von sicheren Herkunftsländern für beschleunigte Asylverfahren.
Der EU-Gerichtshof erhöht die Hürden bei der Bestimmung von sicheren Herkunftsländern für beschleunigte Asylverfahren.
Bild
Der EU-Gerichtshof erhöht die Hürden bei der Bestimmung von sicheren Herkunftsländern für beschleunigte Asylverfahren.
Bildrechte: picture alliance / Panama Pictures | Dwi Anoraganingrum
Schlagwörter
Bildrechte: picture alliance / Panama Pictures | Dwi Anoraganingrum
Audiobeitrag

Der EU-Gerichtshof erhöht die Hürden bei der Bestimmung von sicheren Herkunftsländern für beschleunigte Asylverfahren.

Audiobeitrag
>

EuGH setzt Hürden für Listen sicherer Herkunftsländer

EuGH setzt Hürden für Listen sicherer Herkunftsländer

Der EU-Gerichtshof setzt bei der Definition sicherer Herkunftsländern engere Grenzen. Ein Staat darf demnach nur dann als sicher eingestuft werden, wenn dort alle Menschen sicher sind. Für die Pläne der Bundesregierung könnte das Konsequenzen haben.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat entschieden, dass EU-Länder die Quellen für ihre Einschätzung sicherer Herkunftsstaaten offenlegen müssen. Dabei müsse sichergestellt werden, dass die gesamte Bevölkerung dort sicher sei.

Italiens "Albanien-Modell" gerät ins Wanken

In dem Verfahren ging es um Italiens umstrittenes "Albanien-Modell" für schnelle Asylverfahren im Ausland. Die Bestimmung von sicheren Herkunftsstaaten ist eine Grundvoraussetzung, um das Modell umsetzen zu können. Wer aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat kommt und in der EU einen Asylantrag stellt, kann schneller abgelehnt werden. EU-Länder können selbst bestimmen, welche Staaten sie als sicher ansehen. Der EuGH legt in seinem Urteil nun fest, dass diese Einschätzung aber überprüfbar sein muss.

EuGH-Entscheidung definiert "sicheren" Herkunftsstaat

Außerdem dürfen dem Urteil nach Mitgliedstaaten - zumindest bis zum Inkrafttreten einer neuen EU-Asylregelung - einen Drittstaat nicht als "sicheren" Herkunftsstaat bestimmen, wenn bestimmte Personengruppen, etwa homosexuelle Menschen, dort nicht sicher sind. Im konkreten Fall, der dem EuGH-Urteil zugrunde liegt, klagten zwei Menschen aus Bangladesch gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge, weil ihr Herkunftsland von Italien als sicher eingestuft wird. Sie gehörten zu denjenigen Migranten, die von Italien in Lager nach Albanien gebracht wurden.

Worum gehts beim sogenannten "Albanien-Modell"?

Grundidee des "Albanien-Modells" ist es, Asylanträge von männlichen erwachsenen Migranten, die aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten kommen und auf dem Mittelmeer aufgegriffen werden, in Schnellverfahren im Ausland zu prüfen. Dazu schloss Italien ein Abkommen mit Albanien zum Aufbau von zwei Lagern auf albanischem Territorium.

Es ist das Prestigeprojekt von Italiens rechter Regierungskoalition unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, liegt aber wegen Widerstands in der italienischen Justiz derzeit auf Eis. Laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation ActionAid und der Universität Bari waren die Zentren 2024 effektiv nur an fünf Tagen in Betrieb – und das bei sehr hohen Kosten.

Die zwei Geflüchteten aus Bangladesch kamen später nach Italien und zogen dort vor Gericht. Weil das italienische Gericht nicht sicher war, ob die Liste der sicheren Herkunftsländer der italienischen Regierung mit EU-Recht vereinbar ist, wandte es sich an den EuGH.

Migrationsexpertin sieht Konsequenzen für deutsche Asylpolitik

Das Urteil des höchsten europäischen Gerichts ist auch für Deutschland wegweisend, bestätigt Migrationsrechts-Expertin Pauline Endres de Oliveira. Denn auch Deutschland hat eine Liste sicherer Länder festgelegt. Sie umfasst neben den EU-Mitgliedstaaten die Westbalkanländer sowie Georgien, Ghana, Moldau und Senegal. "Die europäischen Vorgaben zur Einstufung sicherer Herkunftsstaaten gelten auch hier", so Endres de Oliveira. 

Ob und wie es nach der Entscheidung mit dem "Albanien-Modell" weitergehen kann, ist laut der Rechtsexpertin unklar. "Es gibt noch zahlreiche Rechtsfragen, die beim 'Italien-Albanien-Modell' im Raum stehen", erklärt die Professorin der Humboldt-Universität Berlin. Zum Beispiel, ob die geplante Unterbringung von Asylsuchenden in solchen Zentren rechtlich einer Inhaftierung gleichkomme. Das wäre problematisch, denn nach internationalem Recht dürfe niemand ohne rechtlichen Grund inhaftiert werden – und eine Asylantragstellung sei kein Haftgrund.

Die Bundesregierung plant im Zuge der Verschärfung ihrer Migrationspolitik die Liste sicherer Herkunftsländer auszuweiten. Sie sollen künftig per Rechtsverordnung festgelegt werden, unter Umgehung des Parlaments. Der EuGH teilte mit, nach Unionsrecht sei es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, einen Drittstaat per Gesetzgebungsakt als sicheren Herkunftsstaat zu bestimmen – sofern diese Bestimmung Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Überprüfung sein könne. In dem Zusammenhang betonte das Gericht, dass die Informationsquellen, auf denen eine solche Bestimmung beruht, hinreichend zugänglich sein müssten. Nur so werde wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet.

Mit Informationen von dpa und KNA

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!