Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat kurz vor der parlamentarischen Sommerpause noch zwei weitere Bausteine seiner "Migrationswende" im Bundestag vorgestellt. Menschen, denen Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam droht, sollen künftig keinen Anspruch mehr auf einen staatlich finanzierten Anwalt haben, der sie bei der Wahrung ihrer Rechte unterstützt.
Kein Anspruch auf staatlich finanzierten Rechtsbeistand
Dieser Anspruch war erst im vergangenen Jahr eingeführt worden, als Teil des sogenannten Rückführungsverbesserungsgesetzes der damaligen Ampel-Koalition, mit dem unter anderem die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams verlängert wurde. Durch den Pflichtanwalt sei das Gesetz zu einem "Rückführungsverhinderungsgesetz" geworden, sagte Dobrindt. Mit der Streichung dieses Anspruchs folge man einer Empfehlung der Justizministerkonferenz, betonte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Fiedler.
Sichere Herkunftsländer per Rechtsverordnung
Erstmals beraten hat der Bundestag zudem über die Möglichkeit, Staaten per Rechtsverordnung als sogenannte sichere Herkunftsländer einzustufen. Das bedeutet, dass der Bundesrat dem dann nicht zustimmen müsste. Möglich wird das, indem die relativ kleine Gruppe von Schutzsuchenden, die als politisch Verfolgte Asyl beantragen, hier ausgeklammert wird. "Staaten werden nicht sicher, weil Sie es sich wünschen", sagte Helge Limburg (Grüne) an die Adresse des Bundesinnenministers.
Was sind sichere Herkunftsstaaten?
Als sicheren Herkunftsstaat definiert das Asylgesetz Länder, in denen angesichts der allgemeinen Lage davon ausgegangen werden kann, dass dort keine Verfolgung zu befürchten ist – etwa aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
Maghreb-Staaten und Indien zuerst
In ihrem Koalitionsvertrag hatten CDU, CSU und SPD vereinbart, mit der Einstufung von Algerien, Indien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten zu beginnen. Entsprechende Initiativen waren in den vergangenen Jahren im Bundesrat am Widerstand von Ländern mit Regierungsbeteiligung der Grünen und der Linken gescheitert.
Asylanträge von Menschen aus den als sichere Herkunftsstaaten geltenden Ländern lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in der Regel als offensichtlich unbegründet ab. Dies schließt die Anerkennung eines Schutzstatus im Einzelfall aber nicht aus. Abgelehnte Antragsteller können jedoch leichter und schneller abgeschoben werden.
Als sichere Herkunftsländer gelten in Deutschland aktuell neben den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Albanien, Bosnien-Herzegowina, Ghana, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Senegal, Serbien, Georgien und Moldau. Die Einstufung soll irreguläre Migration aus diesen Staaten verringern.
Kritik an Dobrindts Plänen von Grünen und Linken
Der grüne Abgeordnete Helge Limburg warf Dobrindt vor, die Beteiligung von Bundestag und Bundesrat solle "ausgehebelt" werden. Diese Einschränkung parlamentarischer Kontrolle sei "beispiellos" und "völlig inakzeptabel". Seine Fraktion werde "alles in unserer Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass der Bundesinnenminister künftig per Federstrich auch die Rechte von Geflüchteten einschränkt".
Kritik kam gleichfalls von der Linkspartei. Sie warf der Bundesregierung vor, mit der Gesetzesänderung bewusst Artikel 16a des Grundgesetzes zu umgehen, "der eine Zustimmung des Bundesrats verlangt". Ziel sei es offensichtlich, durch die Ausweitung der Zahl sicherer Herkunftsländer "ein Asylverfahren zweiter Klasse" zu schaffen.
Der SPD-Abgeordnete Sebastian Fiedler wies dies zurück. "Das Schutzniveau bleibt natürlich erhalten", sagte er. "Einzelfallprüfungen bleiben davon völlig unberührt." Asylverfahren könnten dadurch aber schneller werden.
Von der AfD kam grundsätzlich Zustimmung zu Dobrindts Plänen, auch wenn diese "mutlos" blieben. Zudem sei offen, "ob dieser Weg juristisch hält", sagte der AfD-Abgeordnete Christian Wirth offenbar mit Blick auf mögliche Klagen gegen das Gesetzesvorhaben. Dieses wurde nun zur weiteren Beratung in die zuständigen Ausschüsse überwiesen.
Mit Informationen von dpa und AFP
Im Video: Bundestag - Beratung über sichere Herkunftsstaaten
Innenminister Dobrindt will die Liste der Herkunftsländer erweitern, die als sicher eingestuft werden.
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