Ein junger Vater telefoniert mit dem Handy, während er eine Waschmaschine einräumt und ein Kleinkind betreut.
Ein junger Vater telefoniert mit dem Handy, während er eine Waschmaschine einräumt und ein Kleinkind betreut.
Bild
Die Bundesregierung will die Familienpolitik in den Mittelpunkt stellen – noch ist aber wenig passiert.
Bildrechte: stock.adobe.com/Kawee
Schlagwörter
Bildrechte: stock.adobe.com/Kawee
Audiobeitrag

Die Bundesregierung will die Familienpolitik in den Mittelpunkt stellen – noch ist aber wenig passiert.

Audiobeitrag
>

Familienpolitik auf dem Prüfstand – was kommt, was nicht?

Familienpolitik auf dem Prüfstand – was kommt, was nicht?

Die schwarz-rote Bundesregierung hat sich vorgenommen, Familien in den Mittelpunkt zu stellen. So steht es auch im Koalitionsvertrag. Vieles ist geplant – doch bislang wenig beschlossen. Womit können Familien rechnen, womit nicht?

Über dieses Thema berichtet: BR24 Thema des Tages am .

Vor dem Bundestag enthüllt Johanna Röh vor einer Woche eine Statue: Eine schwangere Justitia mit acht Armen, die Baby, Laptop und Kalender jongliert – Sinnbild für die Mehrfachbelastungen vieler Frauen, besonders Selbstständiger. Die 37-jährige Tischlermeisterin aus der Nähe von Osnabrück erlebte 2022 selbst, was das bedeutet: kein Mutterschutz, dafür "ein Insolvenzrisiko", sagt sie BR24. Aus diesem "Ohnmachtsgefühl" startete sie eine Petition, gründete mit anderen einen Verein und wurde dessen Vorsitzende.

Mutterschutz für Selbstständige soll kommen

Ihr Engagement zeigt Wirkung: Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) will Anfang 2026 einen Gesetzentwurf zum Mutterschutz für Selbstständige vorlegen. Gut, meint Röh, dafür hätten sie und viele andere gekämpft. Für sie selbst käme das aber zu spät: "Ein zweites Kind kann ich mir nicht leisten." Sie könne ihren Betrieb nicht erneut "so krass auf Messers Schneide stellen, während ich schon Verantwortung für ein Kind habe".

Wie ihr geht es vielen Frauen – ob selbstständig oder angestellt. Das Familienministerium betont auf BR24-Anfrage: "Angesichts der demografischen Entwicklung ist es wichtig, dass Menschen sich für Familie entscheiden können – wenn sie es wollen – und dabei auf verlässliche Unterstützung zählen können."

Opposition verlangt konkrete Vorhaben

Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierung heißt es: "Familien stehen im Mittelpunkt." Doch Grünen-Politikerin Denise Loop meint: Die Regierung tue "zu wenig" für werdende Eltern und junge Familien. Prien habe "noch nichts Konkretes" vorgelegt im Familienbereich.

Was sie umgesetzt hat: Der Bund investiert mit dem Kita-Qualitätsgesetz vier Milliarden Euro – die Länder können das Geld in den nächsten zwei Jahren für Sprachförderung und Fachkräftesicherung nutzen. Außerdem sollen aus dem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur Mittel in Schulen und Kitas fließen – so der Plan.

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026

Ab 2026 gilt stufenweise ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen. Die SPD-Politikerin und Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag, Saskia Esken, betont: Betreuung sei entscheidend, damit Eltern – vor allem Frauen – arbeiten könnten. Zwar sei viel passiert, aber es gebe noch viel zu tun, "damit dann auch so was zurückgewiesen werden kann, wie die Einschätzung von Herrn Merz, dass in Deutschland zu wenig gearbeitet wird. Das hat damit zu tun, dass Frauen geringere Stundenzahlen haben, weil es gar nicht anders geht", so Esken.

Vergangenes Jahr hat fast die Hälfte der Frauen in Teilzeit gearbeitet, bei Männern waren es nur zwölf Prozent. Männer nehmen zudem deutlich kürzere Elternzeit beziehungsweise beziehen kürzer Elterngeld: im Schnitt 2,8 Monate, Mütter 11,6 Monate, so eine Studie der Bertelsmann Stiftung.

Mehr Familienfreundlichkeit – aber wie?

Die Regierung will daran etwas ändern, ein Modell müsse aber noch entwickelt werden, so Esken. Das Ministerium verweist auf erste Abstimmungen. Prien habe auch einen "gesellschaftlichen Pakt für mehr Familienfreundlichkeit" angestoßen – mit flexibleren Arbeitsmodellen und verlässlicher Kinderbetreuung. Wie das konkret aussehen soll, bleibt offen.

Auch Priens Idee eines "Familiensplittings" statt Ehegattensplittings ist noch unklar. "Erste Abstimmungen sind noch nicht abgeschlossen", heißt es. Die SPD kritisiert das bestehende (Steuer-)Modell seit Langem, es fördere alte Rollenbilder. Esken meint: "Progressive Familienpolitiker auch in der Union wissen, dass das notwendig wäre, um da eine Veränderung herbeizuführen. Aber bedauerlicherweise ist nicht die gesamte Union davon zu überzeugen."

Auch die geplante Erhöhung des Elterngeldes bleibt ungewiss. Seit 2007 wurde die Leistung nicht angepasst. Zwar steht sie im Koalitionsvertrag, doch, so Esken: "All diese Dinge stehen unter Finanzierungsvorbehalt." Bedeutet: Ist kein Geld dafür da, kommt es nicht.

Kein Vaterschaftsurlaub

Sicher nicht umgesetzt wird der "Vaterschaftsurlaub", den die Ampel-Regierung angehen wollte, aber scheiterte. Die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie verlangt zehn Tage bezahlten Sonderurlaub für Väter oder zweite Elternteile. Das Familienministerium erklärt jedoch: Diese Auszeit "muss Deutschland nicht umsetzen". Unter bestimmten Voraussetzungen seien Mitgliedstaaten von dieser Verpflichtung befreit. Das Ministerium bezieht sich hierbei auf die Elternzeit und das Elterngeld.

Vieles hängt am Geld – und am politischen Willen. Johanna Röh weiß: Familien haben keine große Lobby. Erst durch den Zusammenschluss Betroffener bewege sich etwas, wie beim Mutterschutz für Selbstständige. Für sie ist klar: "Wir stehen nicht still, bevor wir nicht zufrieden sind."

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!