Das UN-Nothilfebüro übt scharfe Kritik an Israels Fluchtaufruf für Bewohner und Binnenflüchtlinge in der Stadt Deir al-Balah im Zentrum des umkämpften Gazastreifens. Der "Massenvertreibungsbefehl" der israelischen Streitkräfte stelle einen weiteren "verheerenden Schlag" für die humanitären Bemühungen in dem vom Krieg verwüsteten Gebiet dar, erklärte das UN-Nothilfebüro OCHA in einer Stellungnahme.
Jan-Christoph Kitzler, BR-Korrespondent im Studio Tel Aviv hat die Lage für uns bei BR24 eingeschätzt. Außerdem hat der Politikwissenschaftler und Nahost-Experten Jan Busse von der Universität der Bundeswehr in München Israels Vorgehen im Gazastreifen analysiert. Die Sendung zum Nachschauen finden Sie eingebettet über dem Artikel.
Fluchtaufruf für 50.000 bis 80.000 Menschen
Israels Armee hatte angekündigt, ihre Einsätze in der Stadt auszuweiten und rief die Menschen in mehreren Vierteln dazu auf, sich in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens zu begeben. Die Region Al-Mawasi war schon zu einem früheren Zeitpunkt von Israel als humanitäre Zone ausgewiesen worden. In der Vergangenheit hatte es dort dennoch Angriffe gegeben.
Ersten Schätzungen zufolge hätten sich zum Zeitpunkt der Anordnung zwischen 50.000 und 80.000 Menschen in dem Gebiet um Deir al-Balah aufgehalten, erklärte OCHA. Darunter sind viele Menschen, die in Zeltlagern untergebracht sind.
Auch das Welternährungsprogramm kritisiert Israels Vorgehen
Die "Hungerkrise" in Gaza habe "ein neues Ausmaß an Verzweiflung" erreicht, beklagte unterdessen das Welternährungsprogramm (WFP) auf X.
Am Wochenende hatte es erneute Berichte über Schüsse in der Nähe eines Hilfszentrums gegeben. Laut der Terrororganisation Hamas starben dabei 85 Menschen. Die Hamas macht Israel dafür verantwortlich.
Internationaler Druck auf Israel wegen Gaza-Krieg wächst
Der internationale Druck auf Israel wegen des Gaza-Krieges wächst derweil. Großbritannien und mehr als 20 weitere Staaten forderten am Montag ein sofortiges Ende des Krieges und kritisierten das Vorgehen der israelischen Regierung bei den Hilfslieferungen scharf. Dieses sei "gefährlich, schürt Instabilität und beraubt die Menschen im Gazastreifen ihrer Menschenwürde", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Zu den Unterzeichnern gehören neben Großbritannien auch die Außenminister von Frankreich, Italien, Japan, Australien, Kanada und Dänemark. "Der Krieg in Gaza muss jetzt enden", heißt es weiter. Die Staaten seien bereit, weitere Maßnahmen für einen sofortigen Waffenstillstand zu ergreifen.
Papst verurteilt "wahllosen Gewalteinsatz"
Auch Papst Leo schloss sich der wachsenden Kritik an und sprach sich gegen eine Zwangsumsiedlung von Palästinensern aus. In einem Telefonat mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte der Papst den "wahllosen Gewalteinsatz" und jede "erzwungene Massenvertreibung", wie der Vatikan mitteilte. Hintergrund ist der israelische Angriff auf die einzige katholische Kirche im Gazastreifen in der vergangenen Woche. Auch der belgische König Philippe kritisierte Israel. In einer für einen Monarchen ungewöhnlich direkten Wortmeldung bezeichnete er die Lage im Gazastreifen als "Schande für die Menschheit".
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