Der französische Präsident Emmanuel Macron hat Sébastien Lecornu zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Dies teilte der Élysée-Palast am Dienstagabend mit.
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Fünfter Regierungschef in kurzer Zeit
Lecornu ist bereits der fünfte Regierungschef unter Macron in weniger als zwei Jahren. Sein Vorgänger, François Bayrou, war am Montag nach einem verlorenem Vertrauensvotum wegen seiner Pläne zur Kürzung der öffentlichen Ausgaben gestürzt. Auf Lecornu wartet unter anderem die Aufgabe, einen Haushalt durch das zerstrittene und tief gespaltene Parlament zu bringen.
Kritik von der Opposition
Die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen warf Macron vor, seine "letzte Kugel" abzufeuern. Grünen-Chefin Marine Tondelier nannte die Ernennung eines weiteren Premierministers aus dem Regierungslager – das bei den Parlamentswahlen nur auf den zweiten Platz gekommen war – eine "Provokation".
Macrons Abwehrmanöver gegen Druck von rechts und links
Macrons schnelle Ernennung dürfte nicht zuletzt eigennützige Gründe haben. Mit zwei gescheiterten Premiers in nur einem Jahr war der Präsident selbst unter Druck geraten. Die Rechtsnationalen forderten ihn auf, mit einer Parlamentsauflösung den Weg für Neuwahlen freizumachen. Die altlinke LFI wollte ihn gar absetzen. Macrons Schnell-Nominierung dürfte daher nicht nur der Versuch sein, die Haushaltskrise und die abermalige Politkrise einzugrenzen, sondern auch selbst aus der Schusslinie zu kommen.
Lecornus Aufstieg
Vom Privatleben Lecornu ist wenig bekannt. Der 39-Jährige ist Reservist bei der Gendarmerie und unverheiratet. Der 39-jährige Lecornu nicht der jüngste Regierungschef der Geschichte: Gabriel Attal war im Januar 2024 mit 34 Premierminister geworden, Laurent Fabius im Jahr 1984 mit 37. Lecornu ist der Architekt hinter einer umfangreichen militärischen Aufrüstung bis 2030, die auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zurückgeht.
Der ehemalige Konservative Lecornu, der sich 2017 Macrons Bewegung La République en Marche, wie sie damals hieß, anschloss, hatte Ämter in lokalen Behörden und Überseegebieten inne. Eine wichtige Vermittlerrolle hatte Lecornu auch bei Macrons Umgang mit der Gelbwestenbewegung inne, deren Proteste von gewalttätigen Krawallen überschattet waren.
Lecornus Aufstieg spiegelt Macrons Neigung wider, Loyalität zu belohnen. Beobachter sehen in der Ernennung auch ein Zeichen der Kontinuität. Die bisherigen Premierminister waren über Konflikte über den französischen Staatshaushalt gestürzt.
Bayrous Sturz verschärft politische Unsicherheit in Frankreich
Vorgänger Bayrou hatte gehofft, dass die Abgeordneten seine Forderungen nach drastischen Ausgabenkürzungen zur Sanierung der Staatsfinanzen stützen würden. Stattdessen nutzten sie die Gelegenheit, den 74-Jährigen am Montagabend nach knapp neun Monaten im Amt zu stürzen.
Das Scheitern Bayrous und seiner kurzlebigen Minderheitsregierung bedeutet für Frankreich erneute Unsicherheit und die Gefahr eines langwierigen Patts im Parlament. Gleichzeitig muss sich Frankreich mit drängenden Problemen auseinandersetzen, darunter Haushaltsengpässe und die Konflikte in der Ukraine und im Gazastreifen sowie die Beziehungen zu den USA unter Präsident Donald Trump.
Mit Informationen von Reuters, dpa und AFP
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