Report München "Morgen bin ich tot": Rechts im Bild die verstorbene Anna-Lena in einem schwarzen Bilderrahmen. Im linken Bildbereich die Silhouette eines Mannes, bedrohlich im Türrahmen stehend.
Report München "Morgen bin ich tot": Rechts im Bild die verstorbene Anna-Lena in einem schwarzen Bilderrahmen. Im linken Bildbereich die Silhouette eines Mannes, bedrohlich im Türrahmen stehend.
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Rechts: die verstorbene Anna-Lena in einem schwarzen Bilderrahmen. Dahinter die Silhouette eines Mannes, bedrohlich im Türrahmen stehend.
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Rechts: die verstorbene Anna-Lena in einem schwarzen Bilderrahmen. Dahinter die Silhouette eines Mannes, bedrohlich im Türrahmen stehend.

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Zu wenig Schutz bei Gewalt gegen Frauen: Der Fall Anna-Lena

Zu wenig Schutz bei Gewalt gegen Frauen: Der Fall Anna-Lena

Eine 20-Jährige wird von ihrem Ex-Freund umgebracht, obwohl sie ihn zuvor wegen Körperverletzung angezeigt und ein Annäherungsverbot erwirkt hatte. Doch die Maßnahme wurde nicht überwacht und der Mann blieb auf freiem Fuß.

Über dieses Thema berichtet: report München am .

"Männer töten:" steht auf dem Grabstein aus Pappmaché, davor ein Meer aus Kerzen: In München erinnert eine Mahnwache an Frauen, die von ihren (Ex-)Partnern getötet wurden. Auch Anna-Lena wird hier gedacht, einer 20-Jährigen, die von ihrem Ex-Freund verletzt und schließlich im Januar dieses Jahres getötet wurde. Die Dokumentation "Morgen bin ich tot - Gewalt gegen Frauen" des ARD-Politikmagazins report München zeigt Anna-Lenas Geschichte.

Das Verbrechen wurde in Sachsen-Anhalt verübt – doch der Fall steht für ein Problem, das auch in Bayern beinahe jeden Tag Realität ist. Laut Sozialministerium sind rund 15.000 Frauen in Bayern jedes Jahr von Partnerschaftsgewalt betroffen. Fast jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland, seine (Ex)-Partnerin zu töten. 133 Frauen sind im vergangenen Jahr deswegen oder in Folge einer Körperverletzung gestorben.

Ex-Freund griff junge Frau mit einer Axt an

Anna-Lena aus Genthin in Sachsen-Anhalt überlebt einen ersten Angriff ihres Ex-Freundes Domenik nur knapp. Wenige Wochen nachdem sie die Beziehung zu ihm beendet hatte, greift er sie im November 2024 auf dem Weg zur Arbeit an: Mit einer Axt bedroht er sie, schlägt sie zusammen und würgt sie schließlich bis zur Bewusstlosigkeit. Sie zeigt ihn an, doch der 28-Jährige wird nicht in Haft genommen – für die Staatsanwaltschaft lagen keine Voraussetzungen für die Beantragung eines Untersuchungshaftbefehls vor. Der Täter sei nicht vorbestraft gewesen, heißt es auf Anfrage von report München.

Kontakt- und Annäherungsverbot kaum wirksam

Das Amtsgericht verhängt ein Kontakt- und Annäherungsverbot für den Täter. Doch das fällt nicht sehr hart aus: 25 Meter Abstand zur Wohnung von Anna-Lena, zehn Meter bei zufälliger Begegnung. Kontrolliert wird das Annäherungsverbot von staatlicher Seite nicht, erklärt der Sprecher des zuständigen Landgerichts in Stendal, Michael Steenbuck. "Es ist dann die Aufgabe des Geschädigten, eine entsprechende Mitteilung zu machen, dass der Aggressor sich an dieses Gebot nicht gehalten hat" Erst dann werde der Staat durch seine Strafverfolgungsbehörden tätig, so Steenbuck weiter.

Anna-Lena kontrolliert selbst, ob ihr Ex-Freund sich an das Abstandsgebot hält. Er lauert ihr immer wieder auf. Ihre Schwester Liane erinnert sich: "Sie wollte kaum noch raus. Sie hatte Todesangst." Am 30. Januar 2025 schickt Anna-Lena ihr eine verzweifelte WhatsApp-Nachricht: "Ich fühl mich wieder so unwohl … nicht, dass er wieder was geplant hat." Die Schwestern verabreden sich, noch am selben Tag zur Polizei zu gehen. Doch Domenik ist schneller: Er steht plötzlich vor Anna-Lenas Wohnungstüre und ersticht sie in ihrer Wohnung. 

Urteil mit bitterem Beigeschmack

Vor dem Landgericht Stendal wird der Ex-Freund im Sommer 2025 zu 13 Jahren Haft wegen Totschlags und Körperverletzung verurteilt. Kein Mord, so das Gericht. Für Anna-Lenas Mutter Corinna ist das unbegreiflich: "Er wird irgendwann wieder draußen rumlaufen, als wäre nichts." Auch die Staatsanwaltschaft legt keine Revision ein. Die Familie bleibt fassungslos zurück.

Femizide – kein fester Straftatbestand im deutschen Strafrecht

Die Tat ist kein Einzelfall. 133 Frauen wurden laut Bundeskriminalamt 2024 in Deutschland von ihren Partnern oder Expartnern getötet oder starben an den Folgen einer Körperverletzung.

Iris Brand aus München weiß, wie schwer es ist, aus einer gewalttätigen Beziehung zu entkommen. Mit Mitstreiterinnen ihrer Initiative "#DieNächste" hat sie eine Petition gestartet: "#FemizideAlsStraftat" richtet sich an die Bundesregierung. Iris Brand kämpft dafür, dass solche Taten als Mord gelten: "Eifersucht ist kein mildernder Umstand. Unser Strafrecht ist veraltet – das muss sich ändern." 

Frauenhäuser, elektronische Fußfessel – bringt das die Veränderung?

Das neue Gewalthilfegesetz soll Betroffenen künftig ein Recht auf Schutz und Beratung geben – aber erst ab 2032. Schon jetzt sind Frauenhäuser überlastet. Suna Tanis, Leiterin eines Frauenhauses in Oberhausen, berichtet: "Wir müssen Frauen abweisen, weil kein Platz mehr frei ist." 

Ein Hoffnungsschimmer: Hessen und Sachsen haben zu Beginn dieses Jahres eine neue elektronische Fußfessel eingeführt, die gefährdete Frauen warnt, wenn sich der potenzielle Täter nähert.  Diese Art der Fußfessel wird schon in Spanien mit Erfolg eingesetzt. Einige Bundesländer in Deutschland haben seitdem nachgezogen. In Bayern ist das Modell bisher nicht im Einsatz.

Über dieses Thema berichtete report München am 4.11.2025 um 21:45 Uhr im Ersten und in einer ausführlicheren Dokumentation in der ARD Mediathek: "Morgen bin ich tot. Gewalt gegen Frauen"

Hilfe und Beratung 

Wenn Sie selbst von Gewalt betroffen sind oder jemanden kennen, der Hilfe braucht, erreichen Sie das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" unter 116 016 - kostenlos, anonym und rund um die Uhr. Mehr Informationen unter www.hilfetelefon.de [externer Link]

Dieser Artikel ist erstmals am 4.11.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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