In Italien sorgt das Schicksal einer fünfköpfigen Familie, die abgeschieden in den Abruzzen lebt, für hitzige Debatten. Bekannt als die "Waldfamilie" lebten die Eltern mit ihren drei Kindern in einem Steinhaus ohne fließend Wasser und Strom. Doch die Entscheidung der Behörden, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen und die Kinder – auch über Weihnachten – in einem Heim unterzubringen, hat eine Welle der Empörung ausgelöst.
Salvini kritisiert Richter: "Schande"
Die Debatte über die Entscheidung des Jugendgerichts von L'Aquila hat bis in die Regierungsebene Italiens für Aufruhr gesorgt. Der Vize-Ministerpräsident und Chef der rechten Regierungspartei Lega, Matteo Salvini, äußerte auf der Plattform X harsche Kritik: "Für diese Richter gibt es nur ein Wort: Schande."
Er betonte, dass Kinder nicht als Eigentum des Staates betrachtet werden sollten, sondern in der Liebe ihrer Eltern aufwachsen müssen. Auch die Politikerin Michela Vittoria Brambilla von Forza Italia kritisierte im "Corriere della Sera" die Entscheidung der Behörden und forderte, dass die Trennung von den Eltern nur das allerletzte Mittel sein sollte.
Richtervereinigung: Versuch der Manipulation
Die Nationale Richtervereinigung verteidigte die Entscheidung des Gerichts. Die örtliche Sektion erklärte laut der Zeitung "Repubblica", dass die Kritik ein inakzeptabler Versuch sei, die richterliche Integrität zu untergraben. Die Richtervereinigung sprach von einem Versuch, die öffentliche Meinung vor einem Referendum über eine umstrittene Justizreform zu beeinflussen.
Diese Reform, die von Juristen-Organisationen abgelehnt wird, soll die Laufbahnen von Richtern und Staatsanwälten neu ordnen und könnte der Politik mehr Einfluss auf Personalentscheidungen geben.
Kinder lebten ohne Schule und modernen Lebensstandard
Die Eltern hatten sich bewusst für ein Leben abseits der Konsumgesellschaft entschieden. Doch die Sozialdienste kritisierten die hygienischen Bedingungen im Wald als ungeeignet für Kinder. Die Kinder seien sozial isoliert und hätten Bildungsrückstände, weil sie nicht zur Schule gehen.
So könne das achtjährige Mädchen weder Englisch noch Italienisch lesen und schreiben. Im Heim sahen die Kinder zum ersten Mal elektrische Lichtschalter und eine Dusche. Die Mutter besucht die Kinder täglich, der Vater regelmäßig.
Chancen auf Wiedervereinigung
Die Anwälte der Familie hoffen, dass die Familie bald wieder vereint werden kann. Sie betonen, dass die Eltern ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Behörden und Sozialdiensten signalisiert haben. Das Jugendgericht wird erneut entscheiden und dabei die erzielten Veränderungen berücksichtigen. Der Vater ist über seinen bisherigen Lebensstil offenbar ins Nachdenken gekommen. Das berichtet ein Unternehmer, der den Vater vorübergehend aufgenommen hat, der "Repubblica".
Der Fall begann, als die Kinder vor etwa einem Jahr mit einer Pilzvergiftung ins Krankenhaus mussten. Das Jugendamt wurde daraufhin auf die Lebensumstände der Kinder aufmerksam und begann, die Familie zu beobachten.
Mit Informationen von dpa
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