Der neue deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) hat sich öffentlich hinter die Forderung von US-Präsident Donald Trump nach einer massiven Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten auf jeweils fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung gestellt. Man folge Trumps Einschätzung, dass dies notwendig sei, sagte der CDU-Politiker bei einem Nato-Außenministertreffen in der Türkei nach einem Gespräch mit US-Außenminister Marco Rubio.
Wadephul machte allerdings deutlich, dass vereinbart werden könnte, dass klassische Verteidigungsausgaben in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausreichend seien, sofern gleichzeitig auch noch 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für militärisch nutzbare Infrastruktur ausgegeben würden. Ein solches Vorgehen hatte zuletzt Nato-Generalsekretär Mark Rutte vorgeschlagen.
Klingbeil bremst Wadephul
Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil relativierte Wadephuls Vorstoß. "Ich rate dazu, dass jetzt niemand vorprescht und über Zahlen spekuliert", sagte der SPD-Co-Chef dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Union und SPD hätten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass massiv in Bundeswehr und Verteidigungsfähigkeit investiert werde. "Im Juni wird es dafür beim nächsten Nato-Gipfel eine gemeinsame Linie mit unseren Partnern geben. Daran werden wir uns orientieren, das wird die Richtschnur für die Bundesregierung sein", fügte Klingbeil hinzu. So stehe es auch im Koalitionsvertrag. Zuvor war die Äußerung von Wadephul bereits aus Regierungskreisen relativiert worden.
Deutschland zuletzt bei etwa zwei Prozent des BIP für Verteidigung
Derzeit sieht das Nato-Ziel für die Verteidigungsausgaben lediglich jährliche Ausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des BIP vor. Nach jüngsten Angaben des neuen Kanzlers Friedrich Merz (CDU) würde jeder Prozentpunkt mehr für Deutschland derzeit ungefähr 45 Milliarden Euro mehr an Verteidigungsausgaben bedeuten.
Die Bundesrepublik lag zuletzt bei einer Quote von etwas mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Bei fünf Prozent wären nach Rechnung von Merz derzeit Verteidigungsausgaben in Höhe von 225 Milliarden Euro pro Jahr notwendig.
Zur Einordnung: Die gesamten Ausgaben des Bundeshaushalts beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund 466 Milliarden Euro. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar gibt es bislang keinen Haushalt für das laufende Jahr. Als mögliche Frist für die Erfüllung eines neuen Ziels für die Verteidigungsausgaben gilt das Jahr 2032.
Trump will Fünf-Prozent-Ziel im Juni beschließen
Trump will, dass das Fünf-Prozent-Ziel im Juni beim nächsten Nato-Gipfel in Den Haag beschlossen wird. Bündnisintern wurde zuletzt damit gedroht, dass er ansonsten möglicherweise gar nicht anreisen könnte. Für die Nato wäre das ein Debakel, da ihre Abschreckung noch immer maßgeblich auf den militärischen Fähigkeiten der atomaren Supermacht USA beruht.
Als ein möglicher Kompromiss wurde deswegen nun das Konzept entwickelt, das eine deutlich stärkere Anrechnung von Ausgaben für militärisch nutzbare Infrastruktur möglich machen soll. Dies würde vor allem denjenigen Staaten helfen, die klassische Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent für nicht erreichbar oder erwünscht erachten. Zu ihnen gehören insbesondere Länder, die wie Italien, Spanien, Belgien und Luxemburg bis zuletzt nicht einmal das Zwei-Prozent-Ziel erfüllten.
Trump hatte bereits in seiner ersten Amtszeit immer wieder die aus seiner Sicht unzureichenden Verteidigungsausgaben der europäischen Alliierten kritisiert und diesen vorgeworfen, sich zu sehr auf den Schutz der USA zu verlassen. Mehrfach drohte er dabei sogar mit einem Nato-Austritt der USA.
Wadephul: "Putin überreizt seine Karten"
Das Nato-Treffen in Antalya findet vor dem Hintergrund der intensivierten Bemühungen um Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland statt. Wadephul rief den russischen Präsidenten eindringlich zu direkten Verhandlungen mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj auf. Putin sei dabei, "seine Karten zu überreizen", sagte Wadephul. "Die Welt wartet darauf, dass er endlich der Aufforderung folgt, an den Verhandlungstisch zu kommen, und zwar mit einer Delegation, die auch der Notwendigkeit der aktuellen Situation gerecht wird."
Wadephul begrüßte die Bereitschaft Selenskyjs, direkte Verhandlungen mit Putin zu führen. Russland hingegen wolle offenbar "zum jetzigen Zeitpunkt keine ernsthaften Verhandlungen", sagte der Minister und fügte hinzu: "Das wird Folgen haben." Es gebe in Europa eine "große Entschlossenheit (...), dann auch über weitere Sanktionen zu entscheiden".
Russische Delegation ohne Putin
Putin hatte am Wochenende als Reaktion auf einen europäischen Vorstoß zu einer 30-tägigen Feuerpause in der Ukraine direkte Verhandlungen mit der ukrainischen Seite ab Donnerstag in Istanbul vorgeschlagen. Selenskyj erklärte sich daraufhin bereit, nach Istanbul zu reisen und dort mit Putin zu verhandeln. Der russische Präsident steht aber nicht auf einer vom Kreml veröffentlichten Liste der Delegation, die nach Istanbul reisen soll. Demnach wird die russische Delegation von Präsidentenberater Wladimir Medinski angeführt.
Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP
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