(Archivbild) Israels Premier Benjamin Netanjahu
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(Archivbild) Israels Premier Benjamin Netanjahu trotzt Protesten und Warnungen
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Israels Gaza-Krieg: Netanjahu trotzt Protesten und Warnungen

Israels Gaza-Krieg: Netanjahu trotzt Protesten und Warnungen

Aufrufe zum Generalstreik, Warnungen der obersten Militärjuristin vor der Besetzung von Gaza-Stadt und Vertreibung von über einer Million Palästinenser, massive Kritik aus dem Ausland: Israels Premier Netanjahu zeigt sich von all dem unbeeindruckt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Stadt Gaza, oder das von ihr übrig ist, sei nicht mehr die Stadt, die ihre Bewohner einst gekannt hätten: So beginnt der "Ha’aretz"-Korrespondent für die palästinensischen Gebiete, Jack Khoury, seine Reportage über die von Angst und Anspannung geprägte Gemütslage der rund 1,2 Millionen Menschen, die sich in der Stadt aufhalten sollen.

Gaza-Stadt: Überbevölkert und zerbombt

Der "Geruch des Todes" liege in der Luft. Der Staub der "unablässigen Bombardierungen" bewölke den Himmel, "so dass das Meer nicht mehr zu sehen ist". Ein Großteil von Gaza-Stadt sei unbewohnbar. Nur einige wenige Gebäude stünden noch, und andere befänden sich kurz vor dem Einsturz, gibt "Ha’aretz" einen Bewohner von Gaza-Stadt namens Imad wieder. Es gebe einfach nicht mehr genug Platz: "Die Menschen leben übereinander, und wenn sie könnten, würden sie ein Zelt über das andere stellen."

Schätzungen zufolge, die laut "Ha’aretz" von städtischen Mitarbeitern stammen, mit denen die Zeitung gesprochen habe, hätten in Gaza-Stadt vor dem Krieg rund 700.000 Menschen gewohnt. Jetzt seien eine halbe Million Binnenvertriebene dazugekommen. Aus dem Norden des Küstenstreifens, aus Rafah im Süden, sowie aus Khan Yunis, ebenfalls im südlichen Teil des Palästinenser-Gebiets.

In Gaza-Stadt seien 70 bis 80 Prozent der Gebäude zerstört worden, sowie ein Großteil der Infrastruktur. Nur der Innenstadtbereich sowie einige westlich gelegene Stadtteile böten noch "einen minimalen Anschein von Alltagsleben".

Eroberung soll nicht unmittelbar bevorstehen

Die Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts von Ende der vergangenen Woche, Gaza-Stadt zu besetzen, würde nicht unmittelbar umgesetzt, meldete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf zwei Teilnehmer der nächtlichen Kabinettsitzung.

Obgleich Premierminister Benjamin Netanjahu angekündigt habe, Israels neue Offensive in Gaza-Stadt würde "ziemlich schnell" beginnen und den Krieg mit einer Niederlage der Hamas beenden, müsse zunächst die Zivilbevölkerung aus den betroffenen Regionen gebracht werden. Damit sei vermutlich erst Anfang Oktober zu rechnen. Es bliebe damit Zeit, um die Verhandlungen über einen Waffenstillstand zu einem Abschluss zu bringen.

Auf einer Pressekonferenz für die ausländischen Medien in Israel hatte Netanjahu am Sonntag gesagt, Israel werde zunächst die Zivilbevölkerung aus den Kampfgebieten herauslassen, bevor die Streitkräfte auf Gaza-Stadt vorrücken würden. Sie wüssten überhaupt nicht mehr, wohin sie nach einer erneuten Zwangsvertreibung gehen sollten, berichten Augenzeugen der Nachrichtenagentur Reuters.

Oberste Militärjuristin warnt vor Besetzung

Yifat Tomer-Yerushalmi, seit vier Jahren Chefjuristin der israelischen Streitkräfte, machte nach der Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts auf einen Umstand aufmerksam, den der Premierminister nicht thematisiert: Eine Ausweitung der Kämpfe würde "schwerwiegende völkerrechtliche Folgen" haben, warnte sie nach Angaben der Tageszeitung "Ha’aretz".

Israel würde dann für die Versorgung hunderttausender zusätzlicher Palästinenser verantwortlich gemacht werden, so Tomer-Yerushalmi. Falls Israels Armee mehr als die etwa 75 Prozent des Gazastreifens besetzen würde, die unter der Kontrolle der Streitkräfte stünden, habe Israel die Verantwortung für die zivile Verwaltung. Das beziehe sich auf die humanitäre Hilfe, Lebensmitteln, Wasser, Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur. Zugleich würden die Pläne Netanjahus Israels diplomatische Isolation verstärken, den politischen Druck auf Israel erhöhen und dessen Legitimation beschädigen.

Generalstabschef Zamir hatte bereits während der zehnstündigen Nachtsitzung des Sicherheitskabinetts in der vergangenen Woche Netanjahu widersprochen: Eine vollständige Besetzung von Gaza-Stadt würde wenig zum Sieg über die Hamas beitragen, die noch lebenden Geiseln in Gefahr bringen und untragbare Belastungen an Hunderttausende Reservisten stellen.

Aufruf zum Generalstreik am Sonntag

Die Angehörigen der Geiseln haben zu einem Generalstreik am kommenden Sonntag aufgerufen. Unterstützt wurde der Aufruf vom Vorsitzenden der größten Oppositionspartei, Ex-Premierminister Jair Lapid: "Streikt aus Solidarität, weil die Familien darum gebeten haben", schrieb Lapid in einer Online-Botschaft auf X. Niemand habe ein Monopol auf "Emotionen, auf gegenseitige Verantwortung und auf jüdische Werte".

Die größte Gewerkschaftsorganisation des Landes, Histadrut, schloss sich bislang nicht dem Appell der Angehörigen an. Im vergangenen Jahr hatte der Oberste Gerichtshof der Histadrut untersagt, einen Generalstreik auszurufen, um damit die politische Entscheidung der Regierung über die Kriegsführung zu beeinflussen.

Im Audio: Geiselangehörige rufen zum Generalstreik auf

In ganz Israel gab es zuletzt Kundgebungen für eine Beendigung des Gaza-Krieges
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In ganz Israel gab es zuletzt Kundgebungen für eine Beendigung des Gaza-Krieges

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