Es ist ein Vorschlag, der Bernd Rützel aus Bayern getroffen hat "wie der Blitz aus heiterem Himmel." Rützel ist SPD-Politiker und amtierender Vorsitzender des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Soziales. Was ihn da so getroffen hat? Der sogenannte "Boomer-Soli". "Ich verstehe überhaupt nicht, wie man auf solche Ideen kommen kann", sagt Rützel.
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"Boomer-Soli": Umverteilung von Geld innerhalb der Generation
Die Idee zum "Boomer-Soli" hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Der Vorschlag: Wohlhabendere Rentnerinnen und Rentner aus der geburtenstarken Boomer-Generation sollen über eine Sonderabgabe ärmere Altersgenossen unterstützen. Maximilian Blesch vom DIW erklärt: "Wir verteilen nur innerhalb dieser Generation der Rentnerinnen und Rentner um."
Die Rechnung des DIW geht so: Es gibt einen Freibetrag von 1.000 Euro im Monat – wer mehr hat, soll zehn Prozent Sonderabgabe darauf zahlen. Dabei werden nicht nur die gesetzliche Rente oder Pension in Betracht gezogen, sondern beispielsweise auch auf Miet-Einnahmen. So könnten niedrigere Renten um zehn Prozent steigen, wie es vom DIW heißt. Das Ziel: Das Risiko von Altersarmut senken, sowie die jüngere Generation nicht stärker belasten.
SPD und Union nicht überzeugt vom "Boomer-Soli"
Der Vorstoß trifft einen Nerv – und auch auf Widerstand. Bernd Rützel kann dem Konzept nichts abgewinnen. Die Rente "ist keine Sozialleistung, es ist eine Versicherungsleistung." Die Menschen hätten jahrelang gearbeitet und eingezahlt. Der Sozialdemokrat warnt: "Die Boomer jetzt auszuspielen als die Generation, die jetzt am Ende eines langen Marathonlaufes ihr Preisgeld jetzt auch noch hergeben soll, an irgendwelche anderen – das ist nicht gerecht."
Vieles dreht sich beim Rententhema um die Gerechtigkeitsfrage. Die Prognosen für das Rentensystem sind düster: Wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in Rente gehen, klafft nicht nur eine Lücke bei den Arbeitskräften – sondern auch bei der Alters-Finanzierung. Doch der Boomer-Soli ist keine Renten-Rettung, meint Stefan Nacke. Der CDU-Abgeordnete und Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion sieht den Boomer-Soli skeptisch. Für ihn ist klar: Die zentrale Stellschraube liegt im Renteneintrittsalter. Zwar sei die Rente mit 67 Jahren gesetzlich vorgesehen, "faktisch gehen aber die Menschen mit 64 in den Ruhestand, im Durchschnitt." Der CDU-Politiker sagt daher: Ja, die Baby-Boomer-Generation müsse sich auch beteiligen – aber anders als beim vorgeschlagenen "Boomer-Soli": "Dass wir es attraktiv machen müssen, dass Menschen möglichst lang im Arbeitsmarkt bleiben – möglichst das Renteneintrittsalter erreichen und nicht vorzeitig in den Ruhestand gehen."
Das bedeutet: Die Regierung will das längere Arbeiten im Alter attraktiv machen, beispielsweise mit der geplanten "Aktivrente". Diese sieht vor, dass Rentner 2.000 Euro monatlich steuerfrei dazuverdienen könnten. Auch eine "Frühstartrente" für jüngere Generationen ist geplant – so steht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Konkret soll jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, ab dem 1. Januar 2026 pro Monat zehn Euro vom deutschen Staat bekommen. Dieses Geld soll in ein Altersvorsorgedepot fließen.
Spricht man CDU-Politiker Nacke darauf an, dass es sich um einzelne Bausteine und keine echte Renten-Reform handelt, erwidert er: "Was meinen Sie mit einer echten Renten-Reform? Wir werden sicherlich nicht mit dem Zauberstab eine Lösung finden und dann sind alle Probleme gelöst." Vielmehr sieht er die Aufgabe der aktuellen Regierung darin, "so für die nächsten 15 Jahre an allen Stellen so nachzusteuern, dass das System stabil bleibt."
Wirtschaftsweise: "Wir können das nicht nur den Jungen aufbürden"
Eine prominente Befürworterin hat der Vorschlag des Boomer-Solis aber: Die Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft, Monika Schnitzer: "Wir haben immer weniger junge Menschen, die für immer mehr Rentnerinnen und Rentner zahlen müssen. Wir können das also nicht nur den Jungen aufbürden." Eine Rentenreform sei unumgänglich, die verlängerte Arbeitszeiten, ein höheres Renteneintrittsalter und begrenzte Rentenanstiege beinhalte.
Die Regierung setzt auf eine Expertenkommission, die nächstes Jahr zusammenkommt und an Lösungen arbeiten soll.
Der Boomer-Soli wird unter Schwarz-Rot daher kaum umgesetzt werden. Doch die Debatte darüber spiegelt die wachsende Unsicherheit und das Spannungsfeld zwischen Generationengerechtigkeit, sozialer Ausgewogenheit und politischer Umsetzbarkeit wider.
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