Am Dienstag ist ein Bericht des US-Außenministeriums für 2024 erschienen, der Deutschland – ebenso wie Großbritannien und Frankreich – eine eingeschränkte Meinungsfreiheit attestiert. Die Bundesregierung widersprach am Mittwoch diesem Bericht. "Es findet hier in Deutschland keine Zensur statt", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer in Berlin. "Wir haben in Deutschland ein sehr hohes Maß an Meinungsfreiheit, und das werden wir auch in jeder Form weiter verteidigen." Auch Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) widersprach den Vorwürfen aus Washington: "Jeder kann in Deutschland sagen, was er denkt. Das ist ein freies Land", versicherte er bei "Welt TV".
Washington sprach von Zensur
Die Menschenrechts-Berichte der US-Regierung erscheinen jährlich und beschreiben die Lage in zahlreichen Ländern. Nach dem am Dienstag veröffentlichten Bericht verschlechterte sich die Lage in Deutschland. So ist etwa von Zensur die Rede, weil Internet-Plattformen dazu verpflichtet werden, Hassbotschaften zu löschen. Aus dem Bundesdigitalministerium heißt es, das sei auch nicht verhandelbar. Derartige Regelungen "können nicht Teil eines Deals werden", sagte ein Ministeriumssprecher.
Aus dem rechten politischen Spektrum in den USA wird schon lange behauptet, das europäische Vorgehen gegen Hassrede komme einer Zensur gleich. So hatte der heutige Vizepräsident J. D. Vance im Wahlkampf damit gedroht, die US-Unterstützung der Nato zu streichen, wenn die Europäer gegen Inhalte auf der Online-Plattform X von Tech-Milliardär Elon Musk vorgingen. Sie müssten sich zu amerikanischen Werten wie Redefreiheit bekennen.
USA kritisieren Deutschland im Umgang mit Antisemitismus
Der US-Report beklagte darüber hinaus einen Zuwachs an antisemitischen Vorfällen in Deutschland. Die US-Regierung bemängelte in diesem Zusammenhang, dass deutsche Behörden antisemitische Straftaten vorrangig Rechtsextremen zuordneten, während der Anteil muslimischer Migranten an solchen Taten angeblich unzureichend erfasst werde. Auch hier verteidigte Regierungssprecher Meyer die Arbeit der schwarz-roten Koalition: "Die Bundesregierung bekämpft Antisemitismus in all seinen Formen."
US-Report stützte sich auf veraltete Informationen
Zitiert wird außerdem ein Zeitungsartikel von 2018, in dem es geheißen hatte, antisemitische Straftaten mit unklarem Hintergrund würden automatisch dem Phänomenbereich Rechts zugeordnet. Das ist allerdings überholt. Seit Anfang 2024 erfasst das Bundeskriminalamt (BKA) antisemitische Taten, bei denen der Phänomenbereich nicht eindeutig geklärt werden kann, in einer neuen Kategorie "Sonstige Zuordnung". Von den 6.236 antisemitischen Straftaten im vergangenen Jahr gingen laut BKA-Statistik 3.016 Taten auf das Konto mutmaßlich rechter Täter.
Kritik: Bericht vertuscht Vergehen von mit USA verbündeten Regierungen
Kritik an dem US-Bericht kommt nicht nur aus Deutschland, sondern auch von US-amerikanischen Menschenrechtlern. Von der Regierung unter Präsident Donald Trump eingeführte Veränderungen seien ein "radikaler Bruch" mit der Vorgehensweise, die Menschenrechtslage in jedem Land der Welt "objektiv und unparteiisch" zu beschreiben, sagte die Präsidentin von "Human Rights First", Uzra Zeya.
Die Direktorin für Regierungsbeziehungen bei Amnesty International in den USA, Amanda Klasing, warf dem Außenministerium eine "sehr selektive Dokumentation" vor. Eine Sprecherin von "Human Rights Watch" sagte, schwere Menschenrechtsvergehen verbündeter Regierungen würden vertuscht. Laut "New York Times" wurden Berichte über die "engen Partner" El Salvador, Ungarn, Saudi-Arabien, Vereinigten Arabische Emirate und Israel abgemildert.
Mit Informationen von dpa und epd
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels war ein Foto zu sehen, dass laut Bildunterschrift den stellvertretenden Sprecher der Bundesregierung, Steffen Meyer, zeigte. Es handelte sich allerdings um den gleichnamigen Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen. Wir bitten dies zu entschuldigen.
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