Das Kanzleramt hat mehrere Klimaanlagen. Die dürften trotz hoher Stromsteuer in Betrieb sein. Die elf Mitglieder des Koalitionsausschusses werden also nicht auf hitzefrei plädieren können, wenn sie sich am Nachmittag treffen. Ursprünglich sollte es bei ihrem schon länger anberaumten Termin um die Rente und ums Bürgergeld gehen. Nun steht wohl vor allem die Stromsteuer im Mittelpunkt. Und die Frage, wie die Absenkung der Steuer auch noch für die Verbraucher umgesetzt werden kann.
- Zum Artikel: Stromsteuer sinkt - aber nicht für alle
Absenkung versprochen und wird auch nicht gebrochen?
Dieses Versprechen steht im Koalitionsvertrag von Union und SPD: Die Stromsteuer soll auf das "europäische Mindestmaß" gesenkt werden. Und zwar für alle. Nicht nur für Unternehmen, wie jetzt geplant, sondern auch für die Privathaushalte. Die zahlten 2024 europaweit am meisten für den Strom. Die Kilowattstunde kostete rund 39 Cent. Der EU-Durchschnitt liegt bei rund 29 Cent. Die Steuer macht nur einen Teil aus. Das europäische Mindestmaß der Steuer liegt aktuell bei 0,05 Cent, in Deutschland liegt der Steueranteil bei 2,05 Cent. Es geht also um eine Absenkung um 2 Cent. Die hatte es sogar in die Liste der Sofortmaßnahmen der Bundesregierung geschafft.
Union will wieder an den Kompromiss ran
Allerdings kommt die Kritik auch aus der Koalition und dort besonders aus der Unions-Fraktion. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zum Beispiel pocht auf den Koalitionsvertrag. Der CSU-Vorsitzende nannte bei "Welt-TV" drei Möglichkeiten einer Entlastung der Bürger: "Entweder in Stufen oder gleich oder man senkt mehr Netzentgelte, um das Ganze hinzubekommen." Es sei wichtig, dass die Regierung angekündigte Entlastungen auch umsetze.
Auch Steffen Bilger, der parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, sagte, das Versprechen sei gegeben, die Netzentgelte würden bereits reduziert. Die Reduktion der Stromsteuer um zwei Cent solle nun folgen. Die Unions-Kritik kommt dezent daher.
Trotzdem erzürnt sie den Koalitionspartner. Schließlich habe man sich den Verzicht auf die Haushaltsentlastung nicht allein ausgedacht. "Wir sind die letzten, die sich dagegen wehren, Menschen zu entlasten", ärgert sich der neue SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Andererseits müsse man schauen, wie man die Finanzierung darstellt. Klüssendorf sagt, es gehe darum, "die Vorhaben" der Koalition zu "priorisieren". Das werde im Koalitionsausschuss am Abend besprochen.
Woher kommt das Geld für die Entlastung?
Eine Stromsteuerentlastung für alle, das würde bis zu 5,4 Milliarden Euro im Jahr kosten, rechnet der Finanzminister. Woher soll das Geld kommen? Die SPD will priorisieren. Das wiederum ist die dezente Umschreibung dafür, Ausgaben wie die Mütterrente III auf den Prüfstand zu stellen. Das Wahlversprechen der CSU kostet nach Schätzungen der Deutschen Rentenversicherung rund 4,45 Milliarden Euro im Jahr. Auch das CSU-Versprechen, die Mehrwertsteuer für Gastronomen zu senken, wird Milliardenbeträge schlucken. Dass diese Posten nicht zur Disposition stehen, macht CSU-Chef Markus Söder bei jeder Gelegenheit deutlich. Er fordert stattdessen, bei den Sozialabgaben zu kürzen. Etwa beim Bürgergeld.
Bundesagentur: Bürgergeld kein Sparposten
Das räumte die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, ab. Die Jobaussichten für Arbeitslose seien aktuell so schlecht wie nie. Mit Besserung auf dem Arbeitsmarkt rechnet Nahles frühestens im Sommer oder Herbst nächsten Jahres. Auch SPD-General Klüssendorf rechnet die bereits beschlossenen Einsparungen beim Bürgergeld im kommenden und darauffolgenden Jahr vor: Bis 2029 seien insgesamt rund 4,5 Milliarden Euro geplant. Klüssendorf sagt: "Da ist dann auch die Grenze erreicht."
Kompromiss in Stufen?
Nun deutet sich ein Kompromiss an: Die Stromsteuer könnte doch für alle sinken, dann allerdings schrittweise oder zeitlich befristet. Das wäre nicht die versprochene Sofortmaßnahme, aber das Versprechen der Senkung für alle wäre eingelöst. Unklar ist noch, wie genau das gegenfinanziert werden soll. Darauf besteht Bundeskanzler Merz: "Alles, was unsere Haushaltsmittel möglich machen, ist denkbar." Mehr aber nicht.
Koalition ist "extrem stabil"
Die Stromsteuer zeigt vor allem eines: Wie leicht auch die schwarz-rote Koalition entflammbar ist. Sogar in einer vergleichsweise kleinen Angelegenheit. Wenn alles gut läuft für Schwarz-Rot, können die Glutnester am Mittwochabend ausgetreten werden und es entsteht kein Flächenbrand. Aber bleibt das so, wenn es um größere Tagesordnungspunkte als die Stromsteuer geht? Der SPD-Generalsekretär weiß das wohl und betont, dass es wichtig sei, nicht "wieder in die Eskalationsspirale" zu kommen. Wie in der Ampel. Klüssendorf sagt, die Koalition sei "extrem stabil. Da muss sich keiner Sorgen machen."
Mit Informationen von Reuters
Im BR24live-Video: Stromsteuer – Kommt doch die Entlastung für alle?
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