Verteidigungsminister Boris Pistorius
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Koalitionsstreit über Wehrdienst: Union schießt gegen Pistorius

Koalitionsstreit über Wehrdienst: Union schießt gegen Pistorius

Die Fachpolitiker hatten sich schon verständigt, doch dann platzte die Einigung: Der Streit zwischen Union und SPD über den neuen Wehrdienst eskaliert. Die Union gibt Verteidigungsminister Pistorius die Schuld.

Über dieses Thema berichtet: BR24 TV am .

Es ist eine Rolle rückwärts: Erst haben die Fraktionsspitzen verkündet, Union und SPD hätten sich auf ein neues Wehrdienst-Modell geeinigt. Dieses sollte am frühen Abend vorgestellt werden. Doch die gemeinsame Pressekonferenz wurde kurzfristig abgesagt. Der Grund: Eine vorher von Unterhändlern beider Seiten gefundene Grundsatzeinigung war in der SPD-Fraktion auf massiven Widerstand gestoßen. 

In der Union wächst nun der Unmut, vor allem über Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). "Ich habe es in über 30 Jahren Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag noch nie erlebt, dass ein Bundesminister in seinem eigenen Verantwortungsbereich ein wichtiges Gesetzgebungsverfahren frontal torpediert und die eigene Fraktion in Chaos stürzt", sagte der stellvertretende Union-Fraktionsvorsitzende Norbert Röttgen (CDU) der Süddeutschen Zeitung (externer Link). Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte Röttgen zudem, Pistorius habe sich "destruktiv" verhalten.

Wehrdienst-Lotterie: Pistorius geht auf Distanz

Röttgen hatte den Kompromiss zusammen mit Siemtje Möller, Falko Droßmann (beide SPD) und Thomas Erndl (CSU) ausgehandelt, auch die Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn (CDU) und Matthias Miersch (SPD) unterstützten die Einigung. Diese sah vor, dass ein Losverfahren bei der Rekrutierung greifen sollte, wenn die Zahl der Freiwilligen nicht ausreicht. Die Rechnung wurde aber ohne die SPD-Fraktion gemacht, die am Nachmittag auf die Barrikaden ging.

In der SPD-Fraktionssitzung soll vor allem Pistorius selbst gegen die Einigung der Unterhändler Stimmung gemacht haben, wie Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Teilnehmerkreise berichten. Auch beim Verlassen der Fraktionssitzung distanzierte er sich vom Vorschlag eines Losverfahrens: "Das war nicht meine Idee, das war eine Unions-Idee." Fraktionschef Matthias Miersch musste dann in der Unions-Fraktion eingestehen, dass die SPD die Änderung nicht mittragen werde.

Unsicher ist nun, wie es mit dem Gesetzentwurf von SPD-Verteidigungsminister Pistorius weitergeht. Eigentlich sollte der Bundestag darüber erstmals am Donnerstag beraten. Ob es dabei bleibt, ist nun wieder völlig offen.

Grüne: "Signal von Respektlosigkeit"

Ein Sprecher der Unions-Fraktion sagte den wartenden Journalisten: "Wir haben die Pressekonferenz abgesagt, weil die beabsichtigte Einigung ausgeblieben ist. Wir hatten fest damit gerechnet. Wir wissen nicht, wann die erste Lesung des Gesetzentwurfs erfolgen wird und werden Sie dazu zeitnah informieren."

Die Koalition hatte sich nach der Sommerpause eigentlich vorgenommen, solche Streitigkeiten wie bei der geplatzten Wahl von drei Verfassungsrichtern oder der Senkung der Strompreise zu vermeiden. Der jetzige Eklat gehört aber nun in dieselbe Kategorie. 

Grünen-Chef Felix Banaszak sagte, dies sei ein Zeichen des Chaos – und dass die Koalition sich selbst nicht organisiert bekomme. "Aber das Signal, das man an die Gesellschaft und vor allem an die jungen Menschen sendet, über die man gerade spricht, ist einfach ein Signal von Respektlosigkeit."

Grüne, AfD und Linke hatten das angedachte Losverfahren scharf kritisiert. Linksfraktionschef Sören Pellmann sagte, das Vorhaben erinnere ihn "an den Roman 'Tribute von Panem', wo Kinder für die Hungerspiele ausgelost werden". AfD-Chefin Alice Weidel sagte: "Ich habe so etwas Schwachsinniges selten gehört."

80.000 zusätzliche Soldaten benötigt

Hintergrund für die geplante Wehrdienstreform ist, dass die Bundeswehr 80.000 zusätzliche Soldaten benötigt. Als Begründung wird eine Verschärfung der Bedrohungslage infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine genannt. Aktuell hat die Bundeswehr rund 183.000 aktive Soldatinnen und Soldaten, rund 260.000 sollen es werden. Auch die Reserve soll wachsen.

Der neue Wehrdienst soll weiterhin freiwillig bleiben. Schon im bisherigen Gesetzentwurf ist aber auch die Option für eine Wehrpflicht festgehalten, wenn nicht genügend Freiwillige gewonnen werden können. Die Regelung dazu ist der Union aber bisher zu wenig konkret.

Im Video: Einschätzungen von BR-Korrespondent Tim Aßmann

BR-Korrespondent Tim Aßmann
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BR-Korrespondent Tim Aßmann

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