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Einigung der Koalition beim Wehrdienst geplatzt
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Einigung der Koalition beim Wehrdienst geplatzt

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Einigung der Koalition beim Wehrdienst geplatzt

Einigung der Koalition beim Wehrdienst geplatzt

Union und SPD haben sich trotz einer Einigung ihrer Fachpolitiker über den geplanten Wehrdienst zerstritten. Eine gemeinsame Pressekonferenz wurde abgesagt. In der SPD-Fraktion gab es Widerstand gegen das geplante Losverfahren.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Nachrichten am .

Der Streit zwischen Union und SPD über den neuen Wehrdienst eskaliert. Die Koalitionspartner ließen am späten Nachmittag eine Pressekonferenz zum Wehrdienstgesetz wegen zu großer Unstimmigkeiten kurzfristig platzen.

Zuvor hatten die Spitzen der Fraktionen bereits eine Einigung bekannt gegeben. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios und der Süddeutschen Zeitung war im Kern ein mehrstufiges System vorgesehen, das sich am dänischen Modell anlehnt. Wenn die Zahl der Freiwilligen nicht ausreicht, sollte ein Losverfahren bei der Rekrutierung greifen. Darauf verständigten sich Fachpolitiker von Union und SPD.

Wehrdienstmodell mit Losverfahren: Widerstand in SPD

Wie die Nachrichtenagenturen Reuters und dpa melden, gab es in der SPD-Fraktion jedoch massiven Widerstand gegen das Losverfahren – und die Pressekonferenz wurde abgesagt. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, dass es keine Zustimmung zu den Eckpunkten gegeben habe, auf die sich zuvor Unterhändler beider Seiten geeinigt hatten.

Verteidigungsminister Boris Pistorius machte Teilnehmern zufolge deutlich, dass die geplanten Änderungen mit einem Losverfahren bei Mangel an Rekruten eine Idee der Union waren. Vielen in der SPD gingen die ursprünglichen Pläne von Pistorius bereits zu weit. Fraktionschef Matthias Miersch musste dann in der Unions-Fraktion eingestehen, dass die SPD die Änderung nicht mittragen werde.

Ob das Gesetz wie geplant am Donnerstag in den Bundestag eingebracht wird, ist nun nach Angaben von beiden Seiten wieder völlig offen. Reuters zufolge soll das Vorhaben in der Ursprungsversion von Pistorius im Bundestag beraten werden.

Was die Fachpolitiker vereinbart hatten

Der Gesetzentwurf von Pistorius sieht vor, dass ab kommendem Jahr junge Männer einen Fragebogen ausfüllen müssen. Bei Interesse an der Bundeswehr werden Kandidaten dann zur Musterung geladen. Die Entscheidung für den Wehrdienst sollte aber freiwillig bleiben. Die Union hatte das nicht für ausreichend gehalten und Änderungen in Richtung einer Wehrpflicht verlangt, wenn Zielgrößen bei der Rekrutierung nicht erreicht werden.

Die Einigung der Fachpolitiker sah daraufhin vor: Wenn sich nicht genügend junge Menschen zur Musterung melden, sollte aus dem Jahrgang eine bestimmte Menge gelost werden, um die fehlenden Reservisten aufzufüllen. Diese sollten zunächst gezielt überzeugt werden, freiwillig zu dienen. Führt auch dies nicht zum Ziel, müsste der Bundestag einen Beschluss fassen und die Fehlenden zwangsweise einziehen. Dabei sollte es weiter möglich bleiben, den Dienst an der Waffe zu verweigern.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann erklärte: "Wir starten freiwillig mit attraktiven Konditionen, aber dann eben mit einem klaren Pfad zu Zeit und Zielen, falls wir über die Freiwilligkeit nicht den notwendigen Personalaufwuchs erreichen".

Unions-Fraktionschef Jens Spahn hatte ein Losverfahren naheliegend genannt. "Ich habe jedenfalls noch keinen faireren Vorschlag gehört." Noch vor der Fraktionssitzung hatte auch SPD-Fraktionschef Miersch die Einigung der Koalitions-Fachpolitiker gelobt.

Linken-Fraktionschef warnt vor "Lotto-Wehrpflicht"

Der zunächst verkündete Kompromiss zum Wehrdienst stieß bei Grünen und Linken auf Ablehnung. Linksfraktionschef Sören Pellmann warnte in Berlin vor einer "Lotto-Wehrpflicht". Das Vorhaben erinnere ihn "an den Roman 'Tribute von Panem', wo Kinder für die Hungerspiele ausgelost werden".

Die Grünen im Bundestag lehnen ein Losverfahren für den Wehrdienst als "völlig undurchdachten Vorschlag" ebenfalls ab. Das Los entscheiden zu lassen, wer gemustert und einberufen werden solle, sei ein "absolut willkürliches" und ein "total bürokratisches" Verfahren, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge. Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen, die eigentlich gar nicht wollten, werde auch beim Losverfahren nicht funktionieren.

Weidel: Selten "so etwas Schwachsinniges gehört"

AfD-Chefin Alice Weidel sagte: "Ich habe so etwas Schwachsinniges selten gehört." Die Amerikaner hätten das während des Vietnamkrieges gemacht. "Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass man so etwas in Deutschland einführen würde."

Angesichts interner Meinungsverschiedenheiten über das Thema Wehrpflicht wird sich die AfD-Bundestagsfraktion voraussichtlich selbst weiter nicht klar positionieren.

Bundeswehr benötigt mehr Soldatinnen und Soldaten

Das geplante Wehrdienstgesetz soll der Bundeswehr zu Zehntausenden zusätzlichen Soldaten verhelfen. Hintergrund ist, dass die Nato eine Größenordnung von 260.000 für erforderlich hält, um einem Angriff etwa Russlands standzuhalten. Etwa 80.000 Soldatinnen und Soldaten werden daher zusätzlich benötigt.

Mit Informationen von dpa und Reuters

Im Audio: Koalitionsstreit über geplanten Wehrdienst

Bundeswehrsoldaten in der Oberlausitz
Bildrechte: picture alliance / photothek.de | Florian Gaertner
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Bundeswehrsoldaten in der Oberlausitz

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