In Kanada haben die regierenden Liberalen die Parlamentswahl gewonnen.
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Kanada: Wahlsieger Carney attackiert Trump

Kanada: Wahlsieger Carney attackiert Trump

Im Zeichen der Annexionsdrohungen von US-Präsident Donald Trump haben die Kanadier einen neuen Premier gewählt. Wahlsieger ist der Liberale Kandidat Mark Carney, der Trump in seiner Siegrede wie zuvor im Wahlkampf deutlich Kontra gab.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die liberale Partei von Premierminister Mark Carney hat die Parlamentswahl in Kanada gewonnen. Sein Herausforderer Pierre Poilievre, Parteichef der Konservativen, gestand seine Niederlage ein und gratulierte Carney zum Wahlsieg.

Es ist die vierte kanadische Parlamentswahl in Folge, die die Liberalen für sich entscheiden konnten, was in der Geschichte des G7-Landes sehr ungewöhnlich ist. Carneys Regierungspartei kam nach offiziellen Ergebnissen am frühen Morgen (Ortszeit) nach Auszählung von rund 95 Prozent der Wahllokale auf 43,2 Prozent der Stimmen, die Konservativen auf 41,7 Prozent. Die Liberalen erhalten demnach voraussichtlich 166 Sitze im Parlament – und bleiben knapp unter der absoluten Mehrheit von 172.

Fortführung der Minderheitsregierung möglich

Carney war mit seiner Liberalen Partei als Favorit ins Rennen gegangen. Die Regierungspartei lag zuletzt in Umfragen knapp vier Punkte vor der Konservativen Partei von Oppositionsführer Pierre Poilievre. Jetzt kann er - in mehr oder weniger enger Abstimmung mit der drittplatzierte Partei, dem französischsprachigen Bloc Québécois - wohl weiterregieren.

Trump: Wählt mich!

Die Parlamentswahl fand unter dem Eindruck wiederholter Annexionsdrohungen von US-Präsident Donald Trump statt. Noch kurz nach Öffnung der Wahllokale hatte Trump die Kanadier aufgefordert, ihn zum Präsidenten eines vergrößerten Staates zu wählen. "Wählt den Mann, der die Kraft und Weisheit hat, eure Steuern zu halbieren, eure militärische Macht kostenlos auf das höchste Niveau der Welt zu heben", so Trump in seinem Onlinedienst Truth Social. Statt wie zuvor zu drohen, griff er nun zu Schmeicheleien: Die Kanadier würden "null Zölle oder Steuern" zahlen, wenn "Kanada der geliebte 51. Staat der Vereinigten Staaten von Amerika wird."

Carney: "Unsere frühere Beziehung zu den USA ist vorbei"

In seiner Siegrede rief Carney sein Land zur Geschlossenheit gegenüber den USA auf und stimmte die Bürger auf "schwierige Monate" ein. "Wir werden diesen Handelskrieg gewinnen", sagte Carney vor jubelnden Anhängern. Kanada dürfe die Lehren aus dem "Verrat" durch die USA niemals vergessen: "Unsere einstige Beziehung zu den Vereinigten Staaten ist vorbei", weil "Präsident Trump versucht, uns zu brechen, um uns zu besitzen".  

Stimmungsumschwung innerhalb weniger Wochen

Knapp 29 Millionen Wahlberechtigte waren in dem 41-Millionen-Einwohner-Land zur Stimmabgabe aufgerufen. Noch Anfang des Jahres hatten die Liberalen unter Premierminister Justin Trudeau in Umfragen klar hinter den Konservativen gelegen. Zwei Dinge brachten einen Stimmungswechsel im Land: Der Rücktritt Trudeaus zugunsten seines Parteifreunds Carney - und Donald Trumps von massiven "Strafzöllen" unterfütterte Drohung, Kanada zum 51. Bundesstaat der USA zu machen. 

Das schadete vor allem Carneys konservativem Herausforderer Poilievre, der sich in Inhalt und Stil zuvor an Trump orientiert hatte. Der 45-Jährige forderte Kürzungen bei Staatsausgaben, fokussierte sich auf den Kampf gegen "Wokeness" und sprach mehrfach von "Fake News". Sein "Canada First" kam gut an - bis zu Trumps Ausfällen gegen den nördlichen Nachbarn. 

Ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung

Der 60-Jährige Carney wiederum präsentierte sich als der beste Kandidat, um es mit dem US-Präsidenten aufzunehmen. Zu seinem zuletzt unpopulären Vorgänger Trudeau ging er während des gesamten Wahlkampfes auf Distanz. Viele Wähler konnte er mit dieser Strategie offenbar überzeugen.

Bei warmem Frühlingswetter standen die Kanadier am Montag vor Schulen, Gemeindezentren und anderen Orten in Montreal, Ottawa und Toronto Schlange, um ihre Stimme abzugeben. Eine Rekordzahl von 7,3 Millionen Menschen hatte ihre Stimme bereits im Voraus abgegeben. 

💡 Wer ist Mark Carney?

Der 60-jährige Wahlgewinner bringt nationale und internationale Krisenerfahrung mit. Während der Finanzkrise leitete der aus Alberta stammende Politiker ab 2008 die kanadische Zentralbank. Zwischen 2013 und 2020 war Carney während der turbulenten Brexit-Phase Zentralbankchef in Großbritannien, anschließend bis Januar dieses Jahres UN-Sondergesandter für Klimaschutz. Er plädiert für eine engere Zusammenarbeit Kanadas mit Europa und Asien, um die Handelsabhängigkeit von den USA zu verringern.

Mit Material von AFP und dpa

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