Futterzeit für Gerhard Grubers Rinder – der Landwirt aus dem niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn hält über 400 Tiere. Für bayerische Verhältnisse ein großer Betrieb. Im Vergleich zu den riesigen Rinderbetrieben in Südamerika wirkt Grubers Hof dennoch bescheiden.
Viele seiner Berufskollegen teilen seine Sorge: Das geplante Mercosur-Abkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay könnte gravierende Folgen für die heimische Landwirtschaft haben.
"Der kleine bayerische Bauer, der klein strukturiert ist, muss sich an alles halten", sagt Gruber. Die großen Betriebe in Südamerika hätten ganz andere Voraussetzungen. "Das passt halt nicht ganz zusammen."
Ein Mega-Betrieb in Argentinien: "Wir sind vorbereitet"
In Argentinien, unweit von Rosario – der Heimatstadt von Fußballstar Lionel Messi – liegt der Betrieb CONECAR. Rund 12.000 Rinder werden dort in sogenannten "Feedlots" gemästet: Außenställe, in denen die Tiere auf engem Raum stehen und sich wenig bewegen, um möglichst schnell an Gewicht zuzulegen.
Betriebsleiter Roberto Guercetti sieht im Mercosur-Abkommen eine große Chance: Argentinien brauche offene Märkte. Sein Unternehmen habe sich seit Jahren darauf vorbereitet. In seinem Büro hängen zahlreiche Zertifikate zu Umweltstandards und Tierwohl an der Wand – Dokumente, mit denen er besonders europäische Kunden überzeugen will.
Tierhaltung im Fokus: Wie sieht es mit dem Tierwohl aus?
In Europa kursieren viele Vorwürfe: mangelnde Hygiene, Einsatz von Hormonen, schlechte Haltungsbedingungen. Doch auf dem Gelände von CONECAR zeigt sich ein anderes Bild: Die Tiere stehen unter freiem Himmel, mit ausreichend Platz und wirken gesund.
"Hormone sind auch in Argentinien bei der Mast verboten, wie in Deutschland", erklärt Mauricio Santucho, einer der sieben festangestellten Tierärzte des Betriebs. Auch hier gelten gesetzliche Einschränkungen – ähnlich wie in der EU.
Wird Europa mit Billigfleisch überschwemmt?
Ein weiterer Kritikpunkt vieler bayerischer Landwirtinnen und Landwirte: Der europäische Markt könnte durch günstiges südamerikanisches Rindfleisch überrollt werden. Tatsächlich sieht das geplante Mercosur-Abkommen vor, die Zölle auf Fleischimporte von derzeit 40–60 Prozent bis auf 7,5 Prozent zu senken.
Allerdings gilt diese Absenkung nur für ein festgelegtes Kontingent von 99.000 Tonnen jährlich – laut EU-Kommission entspricht das weniger als zwei Prozent der Fleischmenge, die innerhalb der EU produziert wird. Für darüber hinausgehende Mengen würden weiterhin die hohen Zollsätze gelten.
Pestizide: Ein unterschätzter Streitpunkt
Neben dem Fleischhandel steht auch der Umgang mit Pestiziden im Zentrum der Kritik. Während Landwirte in Bayern strengen Zulassungsverfahren unterliegen, sind in Südamerika zahlreiche Wirkstoffe erlaubt, die in der EU längst verboten sind – darunter etwa Atrazin.
Laut der der Heinrich-Böll-Stiftung exportieren europäische Chemiekonzerne sogar solche Mittel nach Südamerika (externer Link). Mit dem Freihandelsabkommen könnten Zölle auf Pestizide sinken – was ihren Einsatz billiger und wahrscheinlicher machen könnte. Und damit könnten auch mehr Rückstände dieser Pestizide auf Importprodukte wie Soja oder Zucker gelangen.
Die EU verspricht zwar strenge Einfuhrkontrollen – wie diese genau aussehen sollen, ist aber noch offen. Die Verhandlungen laufen.
Zwischen Wirtschaft und Verantwortung: Ein Deal mit vielen Folgen
Das Mercosur-Abkommen bewegt sich im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Interesse, politischer Strategie und Nachhaltigkeit. Besonders bayerische Landwirtinnen und Landwirte fürchten, dass sie im Wettbewerb mit den Mega-Betrieben aus Südamerika ins Hintertreffen geraten.
Ob es gelingt, ökologische Standards, wirtschaftliche Fairness und offene Märkte in Einklang zu bringen, bleibt eine der zentralen Fragen – für Europa und für die Mercosur-Staaten.
Sendehinweis: Die Reportage "Mercosur-Abkommen: Freihandel auf Kosten der Landwirtschaft?" läuft am Abend (25.7.) um 19 Uhr in der Sendung "Unser Land" im BR Fernsehen und in der ARD Mediathek.
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