Mathias Mogge hat schon viele schlimme Bilder gesehen. Der Generalsekretär der deutschen Welthungerhilfe kennt das Leiden von Hungernden aus vielen Teilen der Welt aus eigener Erfahrung. Die humanitäre Lage im Gazastreifen gehöre zum Schlimmsten, was er in über 30 Berufsjahren gesehen habe, schilderte Mogge nun, anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts seiner Organisation.
Immer wieder tödliche Schüsse an Verteilzentren
Im Februar habe die Welthungerhilfe zum letzten Mal Lebensmittel an die notleidenden Menschen in dem Kriegsgebiet verteilt, erzählte Mogge. Seitdem lagerten die Hilfsgüter im jordanischen Amman, weil es nicht mehr möglich sei, sie in den Gazastreifen zu bringen. Israel hat die Verteilung der Lebensmittel dort in die Hände einer US-amerikanischen Stiftung übergeben. An deren Verteilzentren kommt es immer wieder zu tödlichen Schüssen durch israelische Soldaten auf Palästinenser. Die Welthungerhilfe verteile noch Trinkwasser aus einer Meerwasser-Entsalzungsanlage an die Zivilbevölkerung, berichtete Mathias Mogge. Allerdings sei diese Hilfe gefährdet, weil der Entsalzungsanlage der Treibstoff ausgehe.
Ende der Kämpfe gefordert
Die Welthungerhilfe und zahlreiche Hilfsorganisationen fordern in einem offiziellen Appell ein Ende der Kämpfe im Gazastreifen, umfassenden Zugang für humanitäre Hilfe und die Freilassung der, von der Hamas verschleppten, israelischen Geiseln. Die Erklärung sei inhaltlich deckungsgleich mit dem Aufruf von insgesamt 28 Staaten, erklärte Marlehn Thieme, die Präsidentin der Welthungerhilfe. Deutschland hat die Erklärung der anderen Staaten nicht mitunterzeichnet und setzt im Umgang mit Israel weiter auf Gesprächskanäle. Die Bundesregierung müsse nun zeigen, dass Gespräche der bessere Weg seien, um Zugang zu humanitärer Hilfe zu ermöglichen, betonte Thieme.
Bundesregierung in der Kritik
Die Kritik daran, dass Deutschland sich der Erklärung, die unter anderem von Großbritannien, Kanada, Japan und zahlreichen EU-Staaten, darunter Frankreich, Spanien und Österreich unterschrieben wurde, weiterhin nicht anschließt, wird immer vielstimmiger. Es wäre wichtig gewesen, sich anzuschließen, sagt zum Beispiel der Ex-Diplomat Martin Kobler. Zusammen mit anderen ehemaligen deutschen Diplomaten fordert Kobler die Bundesregierung in einem offenen Brief auf, "eine andere Linie gegenüber Israel einzunehmen", wie er in einem Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio bekräftigte. "Die vielen zehntausend Toten, die verhungerten Kinder – das ist alles menschengemacht", sagte Kobler. Es stelle sich die Frage "ob man sich da mitverantwortlich macht, wenn man jetzt nicht dagegen wirklich aufsteht."
CSU kritisiert "einseitigen Druck auf Israel"
Die Regierungskoalition ist in der Frage nicht einig. Teile der SPD haben gefordert, dass Deutschland sich der Erklärung der anderen Staaten noch anschließt. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag ist dagegen. Man erlebe "einseitigen Druck auf Israel", sagte Alexander Hoffmann BR24. Das sei genau das, was die palästinensische Hamas wolle, betonte der CSU-Politiker. Die Debatte dürfe nicht dazu führen, dass nicht über die Freilassung der israelischen Geiseln geredet werde. Weitergehen wird die Debatte ganz sicher. Die Linke fordert eine Sondersitzung des Bundestages und eine Linken-Politikerin im unterfränkischen Kreis Aschaffenburg-Miltenberg hat nach eigenen Angaben Strafanzeige gegen den Bundeskanzler gestellt. Selina Pfister wirft der Bundesregierung vor, durch Untätigkeit eine Mitschuld am Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu tragen.
Im Video: Deutschland unterschreibt Appell zum sofortigen Kriegsende in Gaza nicht
Hungernde Kinder in Gaza
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