Das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit stelle Demokratien vor eine ihrer größten Herausforderungen – dieses Thema beherrschte die Panels auf der 2. Münchner Demokratiekonferenz. Demokratien und Freiheit in Europa erlebten derzeit eine ernste Bewährungsprobe.
Konferenz Europäischer Rabbiner lädt zur Münchner Demokratietagung
Ausgerichtet wurde die Demokratiekonferenz von der Europäischen Rabbinerkonferenz. Das habe auch mit dem derzeit explodierenden Antisemitismus zu tun, so Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt. Denn Antisemitismus sei in der Geschichte stets ein Warnschuss für freie Gesellschaften gewesen, das früheste Symptom der Zerstörung einer Demokratie: "Wir Jüdinnen und Juden sind nur ein Mittel, nicht der eigentliche Zweck", so Goldschmidt.
Er betont, es gäbe Länder, die unsere Gesellschaft und Europa angreifen: "Ich rede speziell von Russland und vom Iran. Diese beiden Länder, die extremen Rechten und extremen Linken polarisieren die Gesellschaft." Deshalb wünsche er sich mehr Mittel für staatliche Stellen, die den Schutz der Demokratien zur Aufgabe haben.
Meinungsfreiheit kein Selbstläufer
Sicherheit schaffe erst den Raum, in dem Menschen ihre Meinung äußern, sich versammeln, arbeiten, ihre Religion ausüben und ihre Identität zeigen könnten, betonte die Autorin und Frauenrechtlerin Seyran Ateş. Doch dieser Raum sei in Deutschland nicht mehr überall vorhanden, wie sie am eigenen Leibe erfahren müsse. Sie lebe unter Polizeischutz, nur weil sie ihre Meinung frei äußeren würde, berichtet Ateş.
Dass die Meinungsfreiheit durch Angst, Hass und Schweigen bedroht sei, darauf verweist auch die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Menschen fühlten sich nur dann frei, wenn sie sich sicher fühlten. Deshalb müsse man für beides kämpfen: Demokratie und Freiheit.
Daniela Ludwig, parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium, sorgt sich weniger darum, dass das Gefühl entstanden sei, dass man "ja nichts mehr sagen könne". Die CSU-Politikerin fürchtet vielmehr, dass inzwischen fast alles gesagt werden darf. Es seien hier klar Grenzen verschwommen. "Wir müssen uns den extremistischen Bedrohungen stellen. Der Staat muss sie mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen."
Wer schützt die öffentliche Debatte?
Ein wesentlicher Faktor der Polarisierung seien die sozialen Medien, die in ihren Echokammern auch Hass und Hetze beschleunigten. Der sogenannte Digital Service Act, mit dem die EU-Regeln für digitale Plattformen geschaffen hat, funktioniere nicht im erhofften Maße. Radikale Inhalte würden zu wenig gelöscht. Manon Westphal, Professorin für politische Theorie und Philosophie der Technischen Universität München, will demokratische Resilienz fördern. Sie verweist auf die Problematik der gegenwärtigen Algorithmen, die wie ein Verstärker wirken würden.
Sandor Horvath vom Think Tank, European Institute for Future Generations stellte in seinem Redebeitrag auf der Demokratiekonferenz fest, dass bei manchen jugendlichen Gruppierungen das Thema der Ideologisierung und Radikalisierung eine antiwestliche, antichristliche, antisemitische Komponente haben. Horvath hob das christlich-jüdische Wertfundament Europas hervor, das "auf den Hügeln Jerusalem, Athen, Rom" basiere. Dieses Fundament müsse in die Moderne weitergetragen werden, so Horvat: "Wenn wir den öffentlichen Raum nicht besetzen, dann werden das andere für uns tun."
Schutz vor digitaler Manipulation
Konferenzmoderator Oliver Rolofs zog am Ende der 2. Münchner Demokratiekonferenz folgendes Fazit: Ohne starke Cybersicherheit seien sind staatliche Institutionen, Medien, Infrastruktur, Bürger und Bürgerinnen ein leichtes Ziel. Durch Cyberangriffe können Wahlen beeinflussten, Daten gestohlen, Versorgungssysteme lahmlegen lahmgelegt werden, Kommunikation könne manipulierten und Desinformation massenhaft verbreitet werden.
Eine Demokratie, die digital ungeschützt ist, könne ihre Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit verlieren – und damit auch ihre Freiheit. Man müsse hier wehrhafter werden und dazu gehöre auch, das Narrativ Demokratie zu stärken, indem man den Wert der Freiheit herausstelle, so Rolofs. Angesichts der radikalisierten Ränder wünscht er sich mehr wahrnehmbaren Diskurs aus der bürgerlichen Mitte.
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