Blick ins Bundestagsplenum am 09.07.2025, am Rednerpult Bundeskanzler Friedrich Merz.
Blick ins Bundestagsplenum am 09.07.2025, am Rednerpult Bundeskanzler Friedrich Merz.
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Viele im Bundestag hoffen, dass neue Regeln die Würde des Hauses besser schützen. Die AfD gewinnt den neuen Regeln aber wenig Gutes ab.
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Viele im Bundestag hoffen, dass neue Regeln die Würde des Hauses besser schützen. Die AfD gewinnt den neuen Regeln aber wenig Gutes ab.

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Nach dem Ordnungsruf wird's teurer: Neue Regeln im Bundestag

Nach dem Ordnungsruf wird's teurer: Neue Regeln im Bundestag

Die AfD hat das Bundestagsklima verändert, sind sich die anderen Parteien einig. Viele hoffen, dass neue Regeln die Würde des Hauses besser schützen. Die AfD sieht einen Frontalangriff, anderen gehen die Regeln nicht weit genug.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Nachrichten am .

Wirkt alles halb so wild, wenn man Bundestagsdebatten auf dem Bildschirm verfolgt. Dort hört man meist nur den Redner, dank guter Mikrofone. Wer dagegen drin sitzt im Bundestagsplenum, der erlebt: Hier geht es rund. Beispiel: Rede eines SPD-Abgeordneten im März dieses Jahres. Seine Rede dauert rund vier Minuten. In dieser Zeit wird er 19 Mal unterbrochen, 17 Mal von AfD-Abgeordneten, zweimal von der FDP. Nachlesen kann man das in den Sitzungsprotokollen des Bundestags, die auch jeden Zwischenruf dokumentieren. Beispiele von der AfD: "So ein Unsinn!", "Sie sollten den Mund halten!", "So ein Quatsch!". Diese Rufe sind erlaubt. Sie werden als Teil der Debatte aufgefasst.

"Pinocchio-Fritze" und Transparente gehen nicht

Nicht Teil der Debatte sind Hetze und persönliche Schmähungen. Als Friedrich Merz ans Rednerpult tritt, ruft AfD-Mann Stephan Brandner ihm zu: "Lieber Pinocchio-Fritze". Dafür bekommt er einen Ordnungsruf. Wohl nicht wegen Pinocchio, eher für Fritze. Die Gruppe BSW hält in der Debatte um die Aussetzung der Schuldenbremse für Rüstungsgüter Transparente in Luft. Das ist laut Geschäftsordnung verboten und führt zum Ordnungsruf. Seit 2021 kann er in schweren Fällen mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro belegt werden.

Beleidigungen im Geldbeutel spürbar machen

Viel gebracht hat die damalige Verschärfung nicht. Das zeigen die Zahlen der letzten Wahlperiode: 135 Ordnungsrufe wurden erteilt. 2017 bis 2021 waren es nur 47. Und in den Legislaturen davor nur 10 Ordnungsrufe. Die schwarz-rote Koalition will nun, dass Beleidigungen und Pöbeleien stärker im Geldbeutel spürbar werden. Den Zweck fasst der oberfränkische CSU-Abgeordnete Thomas Silberhorn zusammen: "Es geht darum, die Ordnung in unseren Debatten zu wahren und die Integrität unseres Hauses zu schützen." Für schwerer wiegende Verstöße gegen die Ordnung und die Würde des Bundestages steigt das mögliche Ordnungsgeld von 1.000 auf 2.000 Euro. Bei Wiederholung sind künftig sogar 4.000 Euro statt bisher 2.000 Euro möglich.

Abgeordnete, die innerhalb von drei Sitzungswochen dreimal zur Ordnung gerufen wurden, müssen automatisch ein Ordnungsgeld bezahlen. Der Bundestag müsse sich vom Niveau mancher Debatten auf Social Media unterscheiden, sagt der CDU-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Johannes Fechner hatte zuvor erklärt: "In der AfD scheinen Ordnungsrufe als 'Auszeichnungen' gesehen zu werden. Dagegen setzen wir nun ein spürbares Zeichen."

Blick ins Plenum des Bundestages
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Pöbeleien von Abgeordneten und unangebrachter Tonfall kamen in jüngerer Vergangenheit immer wieder im Bundestag vor.

AfD: "Frontalangriff auf die Rechte der Opposition"

Die Zahl der Ordnungsrufe stieg sprunghaft an, als die AfD 2017 erstmals in den Bundestag einzog. 85 der 135 Ordnungsrufe der vergangenen Legislatur gehen auf ihr Konto. Gegen die neue Verschärfung spricht sich der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner aus. Sie sei ein "Frontalangriff auf die Rechte der Opposition, auf die Rechte der einzelnen Abgeordneten". Das Präsidium könne damit Abgeordnete "bestrafen wie früher absolutistische Herrscher". Brandner sammelt selbst regelmäßig Ordnungsrufe. Am Donnerstag hatte der Bundestag seine Immunität aufgehoben, damit ein Strafverfahren wegen Beleidigung einer Journalistin geführt werden kann.

Die Grünen im Bundestag sind mit den meisten Verschärfungen einverstanden, sie gehen aber aus ihrer Sicht nicht weit genug. So müsse Artikel 3 des Grundgesetzes in der Geschäftsordnung verankert werden, wie die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, fordert. Artikel 3 besagt, dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, der religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden darf.

Wer fehlt, kriegt weniger Zuschlag

Die neue Geschäftsordnung sieht auch vor, die Kostenpauschale für Abgeordnete stärker zu kürzen, wenn sie Sitzungen versäumen. Bisher wird die Kostenpauschale von monatlich 5.350 Euro bei unentschuldigtem Fehlen um 200 Euro und bei entschuldigtem um 100 Euro gekürzt. Nun sollen 300 beziehungsweise 200 Euro dafür fällig werden. Eine weitere Änderung betrifft die Wahl der Vizepräsidenten: Sie soll in der Geschäftsordnung getrennt von der Präsidentenwahl geregelt werden. Das Vizepräsidentenamt hängt von einer freien und geheimen Wahl durch den Bundestag ab. Und dieser Grundsatz wird nun höher bewertet als das Grundmandat, wonach jede Fraktion mindestens einen Vizepräsidenten stellen sollte. Die AfD weist seit acht Jahren auf diese Regelung hin, wenn ihre Kandidaten bei der Wahl durchfallen. Außerdem soll ein Vizepräsident nun auch wieder abgewählt werden können. Dazu sind zwei Drittel der Abgeordnetenstimmen nötig.

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