Kinder und digitale Mediennutzung – ein umstrittenes Thema. Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) bereiten vor allem die Bildschirmzeiten Sorgen: Immer länger sitzen Kinder und Jugendliche vor digitalen Geräten. So komme die Hälfte der 15-Jährigen auf mehr als 30 Stunden Bildschirmzeit pro Woche, ein Viertel sogar auf mehr als 60 Stunden. Laut Prien zeigen Studien, dass die exzessive Nutzung digitaler Medien das Wohlbefinden, die Konzentrationsfähigkeit, die Leistungsfähigkeit und die sozialen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen enorm beeinträchtigen: "Rund eine Million Kinder und Jugendliche haben risikoreiches Verhalten".
Lange Bildschirmzeiten und gefährliche Inhalte
Immer öfter kämen auch Extremisten übers Internet an Jugendliche heran. Sie haben gelernt, in jugendaffiner Sprache zu kommunizieren, so die Bundesbildungsministerin: "Antisemitismus, Rassismus und Frauenverachtung in den sozialen Netzwerken nehmen ein Ausmaß an, das mich wirklich entsetzt." Aber auch Cybermobbing und Desinformationskampagnen seien eine große Gefahr.
Expertenkommission soll Bestandsaufnahme machen
Deshalb beruft die Bundesregierung jetzt eine Expertenkommission ein - das war im Koalitionsvertrag so festgelegt worden. Unter dem Arbeitstitel "Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt" soll sie im Herbst ihre Arbeit aufnehmen. Für Prien ist wichtig, dass die Kommission auch eine Bestandsaufnahme der Probleme macht, denn bislang sei die Datengrundlage noch zu gering. Dann solle die Kommission im Sommer nächsten Jahres konkrete Handlungsempfehlungen vorstellen. Die Arbeit ist auf zwei Jahre angelegt.
Spagat: "Schützen, aber gleichzeitig Teilhabe"
Die Kommission besteht aus 16 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis. Sie kommen unter anderem aus der Pädagogik, der Psychiatrie, der Medizin und der Kriminologie. Der Co-Vorsitzende Prof. Olaf Köller vom Leibniz-Institut Kiel zeigte sich aufgrund der Zahlen davon überzeugt, dass man jetzt handeln müsse. Denn "mehr als eine Million unserer Kinder und Jugendlichen zeigt mittlerweile ein sehr risikoreiches Verhalten im Umgang mit sozialen Medien". Gleichzeitig sei es aber auch ein Spagat, betont seine Co-Vorsitzende Nadine Schön. Sie war bis dieses Jahr Bundestagsabgeordnete der CDU. Denn Kinder und Jugendliche sollten gleichzeitig digitale Medien nutzen, weil sie die Kompetenzen brauchten.
Altersgrenzen und Handyverbote? Vorerst nicht
Vor kurzem hatte die Leopoldina – die Nationale Akademie der Wissenschaften – mit einem Diskussionspapier für Aufmerksamkeit gesorgt. So solle es keine Social-Media-Accounts für Kinder unter 13 geben. "Für 13- bis 17-Jährige sollen soziale Netzwerke zudem altersgerecht gestaltet werden – beispielsweise bei den algorithmischen Vorschlägen, durch ein Verbot von personalisierter Werbung oder durch die Unterbindung besonders suchterzeugender Funktionen wie Push-Nachrichten und endloses Scrollen."
Alterbeschränkungen – sinnvoll oder "totaler Quatsch"?
Bundesbildungsministerin Karin Prien machte keinen Hehl daraus, dass sie sich stärkere Einschränkungen für die Anbieter sozialer Medien wünscht. Etwa Alterskontrollen, die nicht wie jetzt einfach umgangen werden können. TikTok etwa dürfen erst Jugendliche ab 13 Jahren nutzen. Doch die Altersvorgabe lässt sich in der Praxis leicht umgehen.
Solche Maßnahmen könne man aber nur auf EU-Ebene regeln. Zudem hatte CSU-Chef Markus Söder entsprechende Überlegungen zuletzt als "totalen Quatsch" bezeichnet. Im kommenden Jahr rechnet Prien daher nicht mit Entscheidungen.
Australien verbietet unter 16-Jährigen die Nutzung von sozialen Medien
Doch auch andere Länder wie Frankreich, Dänemark und Griechenland wollen auf EU-Ebene strengere Alterskontrollen und eine Anhebung des Mindestalters. Australien ist aktuell das einzige Land, das ein umfassendes Verbot für die Nutzung von sozialen Medien für unter 16-Jährige eingeführt hat. Bei der Umsetzung gibt es aber noch Probleme.
Video: Mediensucht bei Kindern
Mediensucht bei Kindern
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!