Soldaten der Bundeswehr stehen in Reih und Glied, gekleidet in Flecktarnuniformen und tragen rote sowie blaue Baretts.
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Soldaten der Bundeswehr stehen in Reih und Glied, gekleidet in Flecktarnuniformen und tragen rote sowie blaue Baretts.

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Neuer Wehrdienst: Noch freiwilliger als in Schweden?

Neuer Wehrdienst: Noch freiwilliger als in Schweden?

Auch wenn beim Wehrdienst in Schweden Freiwilligkeit und Motivation eine tragende Rolle spielen – rechtlich besteht eine Wehrpflicht. Die künftige schwarz-rote Koalition will sich an Schweden orientieren, setzt zunächst aber nur auf Freiwilligkeit.

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Erst mal keine Wehrpflicht vor, sondern ein neuer Wehrdienst, der sich auf Freiwilligkeit stützt: Das sieht der Koalitionsvertrag der neuen Regierung vor. Dabei soll das schwedische Modell als Vorbild dienen, das seit geraumer Zeit in Deutschland diskutiert wird. Boris Pistorius (SPD), der auch in der künftigen Regierung Verteidigungsminister bleiben möchte, hatte sich schon vor gut einem Jahr direkt in Stockholm darüber informiert und setzt auch hierzulande auf Freiwilligkeit.

Wie freiwillig ist das schwedische Modell?

Dabei gilt in Schweden keine reine Freiwilligkeit. Die hatte nicht funktioniert, zu wenige waren in die Armee eingetreten. Zudem hatte sich mit der Annexion der Krim 2014 die politische Lage verschärft. Deshalb wurde die 2010 ausgesetzte Wehrpflicht 2017 wieder eingeführt, aber dennoch zählen Freiwilligkeit und Motivation. Nach dem Beginn des Ukraine-Krieges ist die Bereitschaft zum Militärdienst zudem gestiegen.

"In Schweden müssen wir nicht alle 18-Jährigen zum Militärdienst einziehen. Wir halten es für besser, ein exklusives System zu haben, das attraktiv ist und eine hochwertige Ausbildung bietet", sagt Verteidigungsminister Pal Jonson in der ARD-Doku Wehrpflicht in Schweden: Vorbild für Deutschland? "Wir konzentrieren uns auf diejenigen, die motiviert sind und die wir für die Streitkräfte brauchen können", so Jonson.

Aus Sicht der Streitkräfte bedeutet das, dass sie besonders motivierte und geeignete junge Leute heranziehen können. Wenn sich nicht genügend freiwillig melden, können Jugendliche in Schweden aber auch zum Dienst verpflichtet werden. Von einer Kaserne zur Grundausbildung waren in genannter Doku "die Allermeisten" freiwillig hier. Ziel des Militärdienstes ist es, vor allem ausgebildete Reservisten zu bekommen, die regelmäßig an Übungen teilnehmen müssen.

Das Auswahlverfahren in Schweden

Um die neuen Rekruten zu gewinnen, wird in Schweden jedes Jahr dennoch ganz breit angesetzt: Alle 18-jährigen Männer und Frauen bekommen einen umfangreichen Fragebogen. Darin geht es unter anderem um Gesundheit, Sportlichkeit, aber auch um die Frage, ob sich der- oder diejenige vorstellen könnte, eine militärische Grundausbildung zu machen. Alle, die den Fragebogen erhalten, müssen ihn abgeben.

Abhängig von den Antworten wird ein Teil zur Musterung eingeladen. Diese ist sehr ausführlich inklusive Fitness-, Wissenstest und einem Gespräch mit einem Psychologen. Das Ganze zieht sich über zwei Tage hin. Die am besten geeigneten Frauen wie Männer werden dann zum einjährigen Dienst herangezogen. Dies ist derzeit nur ein Bruchteil der Gemusterten. Rechtlich besteht in Schweden also eine Wehrpflicht, faktisch konzentriert sich die Auswahl aber auf motivierte und besonders geeignete Personen.

Deutsche Pläne: Nur Männer müssen Fragebogen ausfüllen

Nach bisherigen Plänen in Deutschland müssten Männer ab 18 Jahren künftig einen Fragebogen ausfüllen, sagte Pistorius. Männer müssten verpflichtend sagen, ob sie sich einen Dienst bei der Bundeswehr vorstellen können, für Frauen sei die Antwort freiwillig. Ein Teil würde gemustert. Pistorius denkt an etwa 5.000 Wehrdienstleistende pro Jahr. Derzeit leisten mehr als 180.000 Soldatinnen und Soldaten Dienst in den Streitkräften der Bundeswehr. Davon sind rund 10.000 freiwillig Wehrdienstleistende.

Dass jetzt – erst einmal – kein Pflichtdienst kommt, sieht Kathrin Groh, Professorin für öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr in München, für die Frauen positiv: "Der Staat ist übers Grundgesetz verpflichtet, bestehende Nachteile von Frauen gegenüber Männern auszugleichen. Und daraus lese ich auch ein Verschlechterungsverbot", sagt die Juristin.

Ihre Argumente gegen ein Pflichtjahr für Frauen, ob Wehrdienst oder soziales Engagement: "Die Frauen sind diejenigen, die die Gesellschaft sowieso schon zusammenhalten. 70 Prozent der sozialen Berufe werden von Frauen ausgeübt, und sie machen auch immer noch größtenteils die Care-Arbeit. Zudem verlieren sie Zeit durch Schwangerschaft und Elternzeit und verdienen immer noch weniger als Männer. Warum sollte man ihnen zu Anfang ihres Berufslebens ein weiteres Jahr wegnehmen?"

Pistorius: "Pflichtelemente", wenn nicht genügend Freiwillige

Probleme, damit den Personalbedarf der Bundeswehr decken zu können, erwartet Pistorius nicht. "Die Schweden haben das über mehrere Jahre erfolgreich praktiziert. Auch wir gehen davon aus, dass wir in den ersten Jahren genügend Freiwillige gewinnen können, über eine Pflicht müssen wir dann gar nicht diskutieren", sagte er. Nur wenn nicht genügend Freiwillige zusammenkommen, "wäre über Pflichtelemente zu entscheiden".

Innerhalb der künftigen schwarz-roten Regierung ist das geplante Wehrdienstmodell umstritten. CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte verweist im Deutschlandfunk darauf, dass es bisher misslungen sei, über Freiwilligkeit genügend Personal zu rekrutieren.

Mit Informationen von KNA und Reuters

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