Mit einer ungewöhnlich klaren Erklärung distanzieren sich die deutschen katholischen Bischöfe von der AfD. "Nach mehreren Radikalisierungsschüben dominiert inzwischen vor allem in der Partei 'Alternative für Deutschland' (AfD) eine völkisch-nationalistische Gesinnung", heißt es in dem Papier mit dem Titel "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar". Die AfD changiere zwischen einem echten Rechtsextremismus und einem Rechtspopulismus, der weniger radikal daherkomme. "Der Rechtspopulismus ist der schillernde Rand des Rechtsextremismus, von dem er ideologisch aufgeladen wird."
In beiden Fällen werde stereotypen Ressentiments freie Bahn verschafft: gegen Geflüchtete und Migranten, gegen Muslime, gegen die vermeintliche Verschwörung der sogenannten globalen Eliten, immer stärker auch wieder gegen Jüdinnen und Juden. Die katholischen Bischöfe betonen daher: "Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar. Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar." Die Erklärung wurde zum Abschluss der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Augsburg einstimmig beschlossen.
Mit dem "Dienst in der Kirche unvereinbar"
Wer Parteien wähle, die mindestens in Teilen vom Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextremistisch" eingeschätzt werden, stelle sich "gegen die Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens und der Demokratie in unserem Land", warnt das Papier. "Wir appellieren an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch an jene, die unseren Glauben nicht teilen, die politischen Angebote von Rechtsaußen abzulehnen und zurückzuweisen."
Darüber hinaus stellen die Bischöfe klar: Die Verbreitung rechtsextremer Parolen – dazu gehörten insbesondere Rassismus und Antisemitismus – sei mit einem haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Kirche unvereinbar.
Bätzing verweist auf anstehende Wahlen
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, verwies in der Pressekonferenz zum Abschluss der Vollversammlung auf die anstehende Europawahl im Juni und die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im Herbst. In den drei Ländern drohe die AfD stärkste Kraft im Parlament zu werden. "Es ist deshalb unbedingt erforderlich, dass die katholische Kirche weiterhin klare Positionen bezieht."
Eine so klare Stellungnahme der Bischofskonferenz zu einer im Bundestag vertretenen Partei ist außergewöhnlich. "Sie wissen ja, dass wir sehr häufig auch zu Wahlen Worte der Bischöfe formuliert haben, dort haben wir nie von Parteien gesprochen", erläuterte Bätzing. In diesem Fall hätten sich die Bischöfe nach langer und eingehender Diskussion dazu entschlossen, die AfD auch zu nennen. Die Partei sei die "Speerspitze eines Kulturwandels in unserer Gesellschaft".
Nicht zuletzt habe das Stichwort der "Remigration" die Bischöfe hellhörig gemacht. "Remigration" sei nichts anderes "als eine beabsichtigte Deportation von Millionen von Menschen aus unserem Land". Dies habe eine klare Positionierung herausgefordert. "Es geht hier nicht um einzelne politische Differenzen", erläuterte der DBK-Vorsitzende." Es geht hier um einen fundamentalen Unterschied im Verständnis des Menschen, der menschlichen Gesellschaft und unseres Staates."
Augsburger Bischof: "Dinge beim Namen nennen"
Der Augsburger Bischof Bertram Meier betonte im BR-Interview, die Kirche müsse deutlich machen, wo demokratiefeindliche und menschenverachtende Tendenzen um sich greifen. "Und dazu gehört auch die AfD." Die Bischöfe wollten auf keinen Fall den Fehler machen, der politischen Entwicklung hinterherzuhinken. "Wo Wetterleuchten am Himmel ist, müssen wir die Dinge klar beim Namen nennen." Es sei unmöglich, katholisches Christ-Sein mit dem Wählen der AfD zu vereinbaren.
Auf die Frage, ob die AfD-Mitgliedschaft eine Tätigkeit in der katholischen Kirche ausschließe, sagte Bätzing: Die Bischofskonferenz habe das kirchenrechtlich prüfen lassen - und eine Parteimitgliedschaft könne kein Ausschlusskriterium für eine Mitarbeit in einem kirchlichen Gremium sein. Es stehe aber fest: Wer sich rechtsextrem oder antisemitisch äußere, "kann kein Amt in der Kirche haben".
"Große Sorge" - aber bereit zum Dialog
Rechtsextremismus habe es in Deutschland und Europa auch nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben, heißt es in der Erklärung. In den vergangenen Jahren aber hätten sich rechtsextreme Haltungen stark verbreitet, sie seien "sagbar" geworden. Gegenwärtig stelle der Rechtsextremismus die größte Bedrohung extremistischer Art für Deutschland und für Europa dar. "Wir sehen mit großer Sorge, dass sich radikales Denken verstärkt und sogar zum Hass auf Mitmenschen wird - vor allem aufgrund ihrer Religion, Herkunft oder Hautfarbe, wegen des Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität."
Das klare Votum gegen jede Form des Rechtsextremismus bedeute aber in keiner Weise, dass die Kirche sich dem Dialog mit jenen Menschen entziehen werde, "die für diese Ideologie empfänglich, aber gesprächswillig sind". Auch Bischof Bätzing betonte: "Wir müssen gesprächsbereit sein." Er bitte jene Menschen, die sich von der Erklärung der Bischöfe "herausgefordert sehen", das Gespräch zu suchen.
Außerdem bedeute das Nein zu Rechtsextremismus auch nicht, dass existierende Probleme ignoriert werden könnten, mahnen die Bischöfe in ihrer Erklärung und nennen als die soziale Gerechtigkeit und die Integration von Migranten als Beispiele. Probleme müssten angegangen werden. "Alles andere würde den rechten Rand nur weiter nähren."
AfD-Fraktion: "Falsches Signal" - Lob von anderen Parteien
Der parlamentarische Geschäftsführer der bayerischen AfD-Fraktion, Christoph Maier, kritisierte auf BR-Anfrage die Erklärung der Bischöfe als "völlig falsches Signal". Damit zeigten die Bischöfe, dass sie "nicht integrieren, sondern dass sie ausgrenzen wollen". Die Kirche schwinge sich selbst zum politischen Akteur auf und schließe sich der "links-grünen Agenda" an, statt sich um die Verkündung des Evangeliums zu kümmern. Die AfD sei der Verteidiger des christlichen Abendlandes.
Dagegen lobte der CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek das DBK-Papier. "Ich finde es gut, dass sich die Kirche sehr klar positioniert gegen völkischen Nationalismus." Auch die kirchenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Katja Weitzel, begrüßte es, "dass die katholischen Bischöfe ganz klar und ohne jede Zweifel vor der AfD warnen und darauf hinweisen, dass völkisches und nationalistisches Denken mit dem Christentum unvereinbar ist".
Video: Das BR24live zur Erklärung der Bischöfe
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