Manager in der Politik? Wer dabei an Elon Musk denkt, der gerade in der US-Verwaltung wütet, dürfte wenig Begeisterung für diese Kombination empfinden. Doch der Wechsel von Unternehmenslenkern in die Politik kann auch neue Perspektiven öffnen.
Chance 1: Externe Sachkompetenz
Als designierte Wirtschaftsministerin bringt Katherina Reiche ihre Erfahrungen aus der Energiebranche ein. Reiche war zuerst für den Stadtwerke-Verband VKU tätig und ist derzeit Chefin einer großen E.ON-Tochter. Viele Beobachter halten sie in Energiefragen für hochkompetent – und kaum ein Thema bewegt die Gemüter in der Wirtschaft gerade so sehr wie die Unklarheit in der Energiepolitik samt den hohen Kosten der Energiewende.
Karsten Wildberger wiederum war als Chef der Mediamarkt-Saturn-Mutter Ceconomy und zuvor bei E.ON unter anderem verantwortlich für Digitalisierungsprozesse – nun soll er sich um Digitalisierung und Staatsmodernisierung kümmern und dafür ein ganz neues Ministerium aufbauen. Klar ist: in finanzieller Hinsicht lohnt sich der Wechsel für ihn nicht: Als Manager hat er zuletzt eine Vergütung von 2,8 Millionen Euro bekommen, als Minister stehen ihm jährlich rund 200.000 Euro zu.
Chance 2: Neues Herangehen
Doch nicht nur die externe Sachkompetenz bietet Vorteile, sondern auch eine andere Herangehensweise: Wer von außen in ein Ministerium kommt, kann Denkmuster und Entscheidungsprozesse hinterfragen, neue Strukturen einführen. Karsten Wildberger zum Beispiel sagt von sich: "Ich brauche Geschwindigkeit, ich hasse Stillstand." Eine Einstellung, die angesichts des Nachholbedarfs in Sachen Digitalisierung und beim Aufbau eines neuen Ministeriums von Vorteil sein dürfte.
Chance 3: Unabhängigkeit
Dazu kommt: Manager, die in die Politik wechseln, sind meist unabhängiger als diejenigen, die ihr Leben schon immer in der Politik verbracht haben. Wer nicht auf ein politisches Mandat angewiesen ist, muss weniger Rücksicht auf Befindlichkeiten nehmen – schließlich hängt das eigene Fortkommen in der Regel nicht von Delegiertenstimmen ab, sondern vom Vertrauen von Regierungschefs, die die Manager berufen.
Risiko 1: Unterschiedliche Organisationsstrukturen
In ihren Unternehmen haben Manager in der Regel die Organisationskompetenz, können also entscheiden, worüber sie entscheiden. Das ist in Regierungen anders. Der von Gerhard Schröder 1998 in sein Wahlkampfteam berufene Unternehmer Jost Stollmann verzichtete nach Schröders Wahlsieg auf den angebotenen Posten als Wirtschaftsminister – Hintergrund war ein Streit um Kompetenzen mit dem damaligen Finanzminister Oskar Lafontaine. Auch die designierte Wirtschaftsministerin Reiche kommt in ein Ministerium, das stark beschnitten wurde – der Klimaschutz wandert zurück ins Umweltministerium, das Thema Raumfahrt ins Forschungsministerium.
Risiko 2: Andere Entscheidungswege
Natürlich können auch Manager nicht ohne Rücksicht auf andere Entscheidungen treffen. Doch sie müssen sich in der Regel nicht mit so vielen anderen absprechen wie in der Politik. In Regierungen müssen Abstimmungen zwischen den verschiedenen Ministerien und den Koalitionspartnern getroffen werden. Dann kommt noch der Föderalismus ins Spiel – ein Thema, das gerade den künftigen Digitalminister treffen könnte. Denn wenn es um Digitalisierung der Verwaltung und um Staatsmodernisierung geht, geht nichts ohne die Länder und deren Vertretung im Bundesrat.
Risiko 3: Interessenskonflikte
Der Vorteil, Erfahrung aus der Wirtschaft mitzubringen, birgt zugleich einen Nachteil: Bei jeder Entscheidung stellt sich die Frage: Wird hier womöglich im Sinn des früheren Arbeitgebers gehandelt? Entsprechende Kritik wurde beispielsweise von der Organisation Lobbycontrol gegenüber der designierten Wirtschaftsministerin geäußert: "Es sei höchst fraglich, ob Katherina Reiche die nötige kritische Distanz und Unabhängigkeit zur Energiewirtschaft einhalten kann, um ausgewogen zu entscheiden", so Christina Deckwirth von Lobbycontrol.
Fazit: Der Wechsel ist nicht leicht
Der Wechsel von Managern in die Politik ist nicht leicht. Viele Wirtschaftsbosse, die zum Wechsel in die Politik bewegt werden sollten, haben dankend abgesagt. Der frühere Versicherungs-Manager Wolfgang Peiner, der für die CDU in Hamburg Finanzsenator war, sprach gar von einem "Kulturschock": "Die Erfahrungen aus der jeweils anderen Welt können für Manager und Politiker gleichermaßen nützlich sein. Aber ohne Verständnis für die Lebenswelt des anderen geht es nicht", so Peiner. Das gilt sicher auch für Katherina Reiche und Karsten Wildberger, auch wenn beide bereits Erfahrungen mit der Politik gesammelt haben: Reiche als frühere Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin, Wildberger als Vizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU.
Im Audio: Wer ist die künftige Wirtschaftsministerin Katherina Reiche?
Wer ist die künftige Wirtschaftsministerin Katherina Reiche?
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