Die "Eventin" wurde vor Rügen festgesetzt.
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Die "Eventin" wurde vor Rügen festgesetzt. Der Öltanker wird der russischen Schattenflotte zugerechnet.
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Die "Eventin" wurde vor Rügen festgesetzt. Der Öltanker wird der russischen Schattenflotte zugerechnet.

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Putins Schattenflotte: Wie Sanktionen umgangen werden

Putins Schattenflotte: Wie Sanktionen umgangen werden

Mit der sogenannten Schattenflotte hat sich Russland die Möglichkeit verschafft, Sanktionen zu umgehen. Viele der Schiffe gehörten einst griechischen Reedereien. Wie konnte es dazu kommen, dass ausgerechnet mit ihnen Sanktionen umgangen werden?

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

"Dias I", "Hercules I" oder "Ulysses" heißen die Öltanker einer großen griechischen Reederei. Mehrere Dutzend Schiffe verschiedener Klassen finden sich in deren Flottenliste. Die "Aris" ist nicht mehr darunter. Der Öltanker wechselte 2023 den Besitzer und wurde damit zu einem prominenten Beispiel für besondere griechische Schiffsverkäufe der jüngeren Vergangenheit: Nach Recherchen der griechischen Investigativ-Journalistinnen Danai Maragoudaki und Eliza Triantafyllou ist die Aris heute der russischen Schattenflotte zuzurechnen. Damit sind Schiffe gemeint, die russisches Öl transportieren, um damit Sanktionen zu umgehen.

Öltanker Aris mehrmals umbenannt

Sie sind dabei in der Regel im Besitz von Firmen, die keine Verbindungen zu Ländern haben, die sich an den Sanktionsmaßnahmen beteiligen. Die Herkunft des Öls soll auf diese Weise verschleiert werden, um es zu marktüblichen Preisen verkaufen zu können.

Häufig werden die Schiffe neu getauft und neu registriert. So auch die Aris: Sie fuhr nach den Recherchen von Maragoudaki und Triantafyllou zunächst unter dem Namen "Canis Power" für neue Besitzer weiter und wurde dann erneut verkauft, um auf den Namen "N Cerna" getauft zu werden.

Verkäufe an "Tarnfirmen"?

Den Umfang derartiger Schiffsverkäufe zeigt ein Bericht der Kyiv School of Economics. Darin kamen die Autoren zu dem Schluss, dass zwischen 2022 und 2024 aus Europa und Amerika 230 Tanker verkauft wurden, die letztlich in der russischen Schattenflotte landeten. Von diesen 230 Schiffen stammte mehr als die Hälfte von griechischen Reedern – das Land hat eine verhältnismäßig große Flotte.

Die Tanker gingen an Firmen, etwa mit Sitz in Liberia, den Cayman Inseln oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Solche Firmen sind seit Beginn des Ukraine-Krieges massenhaft gegründet worden. Viele von ihnen haben Verbindungen nach Russland. Allein im Jahr 2022 waren es laut dem US-Finanzdienstleister "S&P global" mehr als 860.

Wie groß ist die russische Schattenflotte?

Der international tätige Schiffsmakler BRS rechnet der weltweiten Schattenflotte mehr als 1.100 Schiffe zu – dazu zählen auch Tanker, die Venezuela oder dem Iran gehören. Die Seite TankerTrackers kommt auf eine ähnlich hohe Zahl: rund 1.200 – darunter auch viele Riesentanker mit besonders großem Fassungsvermögen. Knapp jeder fünfte Liter Öl weltweit würde an Bord eines Schiffes der Schattenflotte transportiert. Die russische Flotte würde im Schnitt um 30 Tanker pro Monat erweitert.

Risiko: Veraltete Schattenflotte

Die Schiffe der Schattenflotte sind durchschnittlich mehr als 20 Jahre alt, hat der Branchendienst Splash24/7 errechnet. Die Tanker, die sonst auf den Weltmeeren unterwegs sind, sind jünger: im Schnitt 15 Jahre. Zudem gelten die Schattenflotten-Tanker als schlecht gewartet, und sie sind in der Regel nicht über eine der weltweit anerkannten Gesellschaften versichert. Dass die Schiffe oft ihre GPS-Systeme ausschalten oder fehlleiten, erhöht nach Ansicht von Experten die Gefahr für Kollisionen auf See. Wer würde im Fall einer Ölkatastrophe vor europäischen Küsten für die Kosten aufkommen?

Gutes Geschäft mit alten Tankern

Für die griechischen Reeder waren die bekannt gewordenen Verkäufe ein gutes Geschäft: Statt fast nichts mehr zu bekommen oder die älteren Tanker verschrotten zu müssen, wurden plötzlich fantastische Preise erzielt. In einem Fall wurde ein Tanker für fast 40 Millionen Dollar verkauft, der vier Jahre zuvor für knapp die Hälfte gekauft worden war und der heute, laut der Kyiv School of Economics, Teil der russischen Schattenflotte ist.

Tatsächlich sind die Verkäufe erstmal legal, sagt die Juristin Nele Matz-Lück, Professorin mit dem Schwerpunkt Völker- und Seerecht an der Universität Kiel. Auch wenn die Verkäufer leicht vorhersehen könnten, wie ihre Schiffe später einmal eingesetzt werden. Es sei eine moralische Frage, so die Juristin. "Aber ich fürchte: So sind die Geschäftsmethoden, so ist der Markt ein ganzes Stück weit."

💡 Sanktionierung der Schattentanker

Eine Möglichkeit zur Kontrolle gibt es dennoch. Etwa, indem Schiffe komplett sanktioniert werden, unabhängig davon, wie oft sie den Besitzer, die Flagge oder ihren Namen wechseln. Die USA hatten diesen Ansatz strikt verfolgt – bis zum Amtsantritt von Trump im Januar. Die EU, Großbritannien und einige weitere Länder haben ihre Sanktionsliste aber immer weiter ausgebaut. Inzwischen sind deutlich mehr als 400 Schiffe sanktioniert – etwa zwei Drittel der aktiven Schattenflotte.

Mehr zu diesem Thema hören Sie heute (24.9.) um 12.17 Uhr in der Sendung Funkstreifzug im Radioprogramm von BR24. Den Funkstreifzug finden Sie auch als Podcast in der ARD Audiothek.