Archivbild: Blick auf das Containerterminal im Handelshafen der Pazifikstadt Wladiwostok.
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Sanktionen gegen Moskau: Warum die EU sie schrittweise verhängt

Sanktionen gegen Moskau: Warum die EU sie schrittweise verhängt

Die Europäische Union hat am Mittwoch das mittlerweile 17. Sanktionspaket gegen Russland verhängt. Einige BR24-User fragen sich: Warum werden diese Maßnahmen immer erst nach und nach verhängt – und nicht alle auf einmal? Ein Experte gibt Antworten.

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"Diese Sanktionsrunde gegen Russland ist die weitreichendste seit Beginn des Krieges", erklärt die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Je länger der Krieg dauere, "desto härter ist unsere Antwort". Das neue Sanktionspaket richtet sich vor allem gegen Russlands sogenannte "Schattenflotte" – Tanker, mit denen Russland bestehende Sanktionen umgeht und weiterhin Öl exportieren kann.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte bereits das 18. Sanktionspaket an. Der deutsche Außenminister Johann Wadephul erklärte, dass es dabei "keine Denkverbote" geben dürfte.

Mehrere BR24-User fragen sich allerdings, warum die Sanktionen 'scheibchenweise' verhängt werden. "Drachenflieger" kommentiert beispielsweise: "Warum denn immer nur kleine (Sanktions-)Maßnahmen und nicht 'volle Kanne' bei den Sanktionen?"

Ähnlich sieht es User "FranknFred": "Immer noch neue Sanktionen ... unglaublich ... dachte immer, Russland wäre von Anfang an vollumfänglich sanktioniert worden!" Und "Neuhauser" schreibt: "Das 17. Sanktionspaket und das 18. ist in Vorbereitung, nur nicht alles auf einmal, damit sich Russland langsam darauf einstellen kann und nicht überrascht wird."

Warum die Europäische Union Sanktionen schrittweise verhängt

"Das hat vor allem zwei Gründe", erklärt Alexander Libman, Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Osteuropa und Russland am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin. "Zum einen sind Sanktionen teuer – und zwar für die Europäische Union und für Deutschland", so Libman im BR24-Interview. Sanktionen träfen also nicht nur das Zielland, sondern belasten auch die Wirtschaft der Länder, die sie verhängen. Als Beispiel nennt Libman steigende Energiepreise. Deshalb könne ein 'Maximalpaket' am Ende mehr Schaden für die EU selbst bedeuten als für Russland.

"Der zweite Grund ist, dass einige Sanktionen eingeführt werden, wenn es um Löcher in den alten Sanktionspaketen geht", erklärt Politikwissenschaftler Libman. Diese Lücken ließen sich nicht immer im Voraus erkennen. Als Beispiel nennt Libman die russische "Schattenflotte": "Zu Beginn des Krieges hat man nicht damit gerechnet, dass sie eine große Rolle spielen würde." Mit jedem Paket reagiere die EU also auch auf die Anpassungsstrategien Russlands.

Unterschiedliche Interessen innerhalb der EU

Hinzu kämen die unterschiedlichen Interessen der EU-Mitgliedstaaten, sagt Libman. "Einige Länder haben geringere Wirtschaftsbeziehungen zu Russland als die anderen und sind zu härteren Sanktionen bereit." Besonders Länder in Osteuropa würden den Krieg außerdem als akute Bedrohung – anders als beispielsweise Spanien oder Portugal. "Am Ende sind europäische Sanktionen immer eine Art Gleichgewicht zwischen allen diesen Interessen." Das verkompliziere den Prozess ebenfalls.

Libman sieht bei den Sanktionen einen "Wettkampf des Antizipierens". Russland habe sich auf diverse Pakete vorbereiten können. Zwar werde öffentlich von Seiten der EU nicht über Maßnahmen zukünftiger Pakete gesprochen. So ganz könne man diese Debatte aber nicht im luftleeren Raum führen, meint Libman. "Und man muss auch ehrlich sein: Die Anpassungsfähigkeit der russischen Wirtschaft hat sich als sehr hoch erwiesen."

Was bringen die Sanktionen?

In der Vergangenheit gab es Stimmen, die die Wirksamkeit der Sanktionen betonten. Guntram Wolff, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sah im ersten Kriegsjahr "Moskaus Wirtschaft und Militär durch die EU-Maßnahmen erheblich geschwächt". Thieß Petersen von der Bertelsmann-Stiftung erklärte: "Die Sanktionen zeigten bereits ökonomische Wirkungen, wobei die wirtschaftlichen Schäden für die russische Volkswirtschaft im Laufe der Zeit größer werden dürften."

Libman von der Freien Uni Berlin zieht ein nüchternes Fazit: "Man muss einfach realistisch sein: Die Wirksamkeit der Sanktionen der EU ist beschränkt." Das liege daran, dass viele Länder des Globalen Südens wirtschaftliche Beziehungen zu Russland pflegen. Hinzu komme die Rolle der USA: Die Trump-Regierung agiert zurückhaltend bei neuen Sanktionen. Der US-Präsident hatte sich zuletzt gegen weitere Maßnahmen ausgesprochen.

"Die USA sind wirklich ganz wichtig für die sogenannten sekundären Sanktionen", erklärt Politikwissenschaftler Libman. Gemeint sind damit Maßnahmen gegen Länder, die Russland bei der Umgehung der Sanktionen helfen. "Es waren sehr oft die Drohungen der USA, die dazu geführt haben, dass diese Länder auf lukrative Geschäfte, die mit dem Umgehen von Sanktionen verbunden waren, verzichtet haben." Da Trump aber von Drohungen absehe, könnten diese Länder wieder deutlich aktiver werden. Libman folgert deswegen. "Ohne die Vereinigten Staaten ist die Wirksamkeit der Sanktionen ganz massiv eingeschränkt." Und ergänzt: "Sonderlich hoch war sie von Anfang an nicht."

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