(Symbolbild) Nato-Flagge und Flaggen mehrerer Nato-Mitgliedsländer im Juni 2025 in Den Haag
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(Symbolbild) Russische Provokation: Das bedeuten die Nato-Artikel 4 und 5
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Russische Provokation: Das bedeuten die Nato-Artikel 4 und 5

Russische Provokation: Das bedeuten die Nato-Artikel 4 und 5

Nach dem Abschuss mehrerer wohl russischer Drohnen hat die Nato gemäß Artikel 4 über die Lage beraten. Was ist der Unterschied zum Bündnisfall laut Artikel 5? Und wie oft wurden die beiden Artikel des Nato-Vertrags bisher in Anspruch genommen?

Über dieses Thema berichtet: Nachrichten am .

Polen ist eines von insgesamt 32 Mitgliedsländern des Verteidigungsbündnisses Nato. Nach dem Abschuss mehrerer höchstwahrscheinlich russischer Drohnen, die in den polnischen Luftraum eingedrungen waren, beantragte Polen gemäß Artikel 4 Beratungen mit seinen Verbündeten. Polens Regierungschef Donald Tusk sprach von einer "Provokation großen Ausmaßes".

Nato-Artikel 4 sieht zunächst nur Beratungen vor

Somit stand die ohnehin für Mittwoch geplante Nato-Sitzung im Zeichen von Artikel 4 des Nato-Vertrags (externer Link). Dieser Artikel lautet im Wortlaut: "Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist." Konkret heißt das: Das Thema muss zwar besprochen werden, aber nicht zwangsläufig zu gemeinsamen Maßnahmen führen.

Polens Regierungschef Tusk machte deutlich, dass er von der Nato künftig mehr Unterstützung bei der Luftüberwachung fordert. Konkrete Zusagen von Nato-Chef Mark Rutte gab es nach dem Treffen zunächst nicht. Rutte betonte aber: "Wir werden die Situation entlang unserer Ostflanke genau beobachten, unsere Luftverteidigung ist jederzeit einsatzbereit."

Seit die Nato 1949 gegründet wurde, fand Artikel 4 insgesamt siebenmal Anwendung. Zuletzt kam es dazu am 24. Februar 2022, als Russland seinen Überfall auf die Ukraine startete. Beantragt wurde das damals von Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Tschechien und der Slowakei. Bisher fünfmal wurde Artikel 4 von der Türkei bemüht. Dabei ging es in den Jahren zwischen 2003 und 2020 jeweils um Entwicklungen in den Nachbarländern Irak und Syrien. 

Nato-Artikel 5 wäre der Bündnisfall – also Krieg

Während Artikel 4 noch keine unmittelbaren militärischen Handlungen vorsieht, wäre das anders beim Bitten um militärische Unterstützung gemäß Nato-Artikel 5. Polen oder ein anderer Mitgliedsstaat könnte sich darauf berufen, wenn es einen bewaffneten Angriff auf das eigene Staatsgebiet gäbe.

Artikel 5 sieht für diesen Fall vor, dass die Nato-Mitgliedsländer alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, "um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten" – und zwar "einschließlich der Anwendung von Waffengewalt".

Dass Polen sich auf Artikel 5 beruft, gilt aber derzeit als sehr unwahrscheinlich. Denn dann käme es zum sogenannten Bündnisfall: Die Nato-Staaten werten den Angriff auf eines ihrer Mitgliedsländer als Angriff auf alle – was in der Konsequenz ein gemeinsames militärisches Vorgehen gegen den oder die Angreifer bedeuten würde. Anwendung fand der Artikel in der gut 75-jährigen Geschichte der Nato bisher ein einziges Mal: nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 gegen die USA.

Experten: Russland testet die Nato

Vielen Experten zufolge testet Russland systematisch aus, wie glaubwürdig das Bündnis im Fall eines Angriffs auf Nato-Gebiets wirklich ist – mit kleineren und größeren Grenzverletzungen. Dass Drohnen in Nato-Luftraum eindringen, ist dabei nicht neu. Allerdings haben die jüngsten Vorfälle in Polen offenbar eine neue Dimension.

Seit Donald Trump wieder US-Präsident ist, gibt es erneut Zweifel daran, inwieweit die USA allen Nato-Verbündeten im Falle eines russischen Angriffs militärisch beistehen würden. Aktuell gibt es dafür keine Anzeichen. Der US-Gesandte bei der Nato, Matt Whitaker, bekräftigte nach den Vorfällen in Polen die Bündnistreue der USA. "Wir stehen unseren Nato-Verbündeten angesichts dieser Luftraumverletzungen bei", betonte er. "Wir werden jeden Zentimeter Nato-Gebiets verteidigen."

Nach Angaben des "Stockholm International Peace Research Institute" verfügen die Nato-Mitgliedsländer über gut 3,4 Millionen aktive Soldaten (Stand: Februar 2025). Auf russischer Seite sind es demnach rund 1,3 Millionen, von denen viele in der Ukraine kämpfen. Auch bei den Luftstreitkräften ist die Nato Russland zahlenmäßig deutlich überlegen. Die schnelle Einsatztruppe der Nato ("Allied Reaction Force") umfasste zuletzt rund 40.000 Soldaten – und soll deutlich größer werden.

Mit Informationen von dpa und AFP

Im Video: Abgeschossene Drohnen – ab wann greift der Nato-Bündnisfall?

10.09.2025, Polen, Wohyn: Polizei und Militärpolizei sichern Teile einer beschädigten Drohne, die von polnischen Behörden abgeschossen wurde, auf einem Gelände in Wohyn.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Wojtek Jargilo
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Drohnen über Polen

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