Hinweis: Dieser Artikel ist im ARD-Faktencheck-Netzwerk in Zusammenarbeit von BR24 #Faktenfuchs und ARD Faktenfinder entstanden.
Darum geht’s:
- Am 09. Mai ist Bundeskanzler Friedrich Merz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer mit dem Zug nach Kiew gereist.
- Videos und Fotos der drei Männer aus dem Zug verbreiten sich im Internet zusammen mit der Falschbehauptung, darauf sei ein Beutel mit Kokain und Konsumbesteck zu sehen.
- Hochauflösende Fotos und Videos der Situation zeigen, dass es sich um ein Taschentuch und ein kleines Stäbchen handelt.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fahren in der Nacht vom 09. Mai auf den 10. Mai gemeinsam mit dem britischen Premierminister Keir Starmer im Zug Richtung Kiew. Die Presse ist dabei, als die drei sich in einem Abteil treffen.
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Reporter und Fotografen begleiten die Staats- und Regierungschefs, wie es bei solchen Reisen üblich ist. Mindestens ein Journalist der französischen Nachrichtenagentur Agence France Presse (AFP) und ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur (dpa) filmen die drei Männer gemeinsam in einem Zugabteil.
Macron, Merz und Starmer fahren gemeinsam im Zug nach Kiew
Die drei stehen zunächst, dann setzen sie sich an einen Tisch. Auf diesem liegt ein zerknülltes Papiertaschentuch und etwas, das aussieht wie ein Garnierspieß, wie er für kleine Essenshäppchen benutzt wird.
Als von den Politikern Fotos gemacht werden, nimmt Macron das Taschentuch in die Hand und lässt es so verschwinden, Merz nimmt den Spieß. Von dieser Szene entstehen auch zwei Videos der Nachrichtenagenturen dpa und AFP.
Auf diesem Foto sind die beiden Gegenstände besser zu erkennen als in einem Video.
Taschentuch wird als Kokain-Beutel betitelt
Diese Videos kursieren kurz darauf - häufig in schlechter Bildauflösung - auch in den sozialen Netzwerken, mit der Behauptung: Es handele sich bei den beiden Gegenständen um einen Kokain-Beutel sowie um einen kleinen Löffel, mit dem Drogen konsumiert werden können.
Auf diversen Social-Media-Plattformen verbreitet sich die Lüge, die Politiker würden versuchen, die angeblich zu sehenden Drogen und Utensilien rasch verschwinden zu lassen. Die Falschbehauptung reiht sich damit ein in Versuche, westliche Staatschefs, die die Ukraine unterstützen, zu diskreditieren
Das weiße Objekt vor Macron auf den Bildern lässt sich auf scharfen Bildern leicht als Taschentuch erkennen. Was vor Merz liegt, ist auch bei genauerem Hinsehen weniger eindeutig. Die dpa, deren Reporter im Abteil waren und Bilder gemacht hatten, schreibt auf #Faktenfuchs-Anfrage: "Auf hochauflösenden Aufnahmen ist zu erkennen, dass es sich bei dem Gegenstand vor Merz um ein Rührstäbchen für ein Getränk oder einen kleinen Spieß für Häppchen handelt, nicht aber um einen Löffel."
Auf diesem Foto sind die beiden Gegenstände besser zu erkennen als in einem Video.
Prorussische Accounts verbreiten die Kokain-Lüge
Seit dem 10. Mai nutzen zahlreiche User auf Telegram und X (früher Twitter) die Videos der Reporter und auch Fotos der Szene und verbreiteten sie mit der Falschbehauptung. Ausgehend von dem AFP-Video verbreitete sich das Gerücht nach bisherigen #Faktenfuchs-Recherchen zunächst unter französischsprachigen X-Accounts, die zuvor ebenfalls teilweise prorussische, ukrainefeindliche oder auch verschwörungstheoretische Inhalte posteten.
Influencer wie Tamir Sheikh, die russische Propaganda und Desinformation über Telegram an Hundertausende verbreiten, griffen das Gerücht ebenfalls auf und verbreiteten es weiter.
Auch Margarita Simonjan, Chefredakteurin des in Deutschland gesperrten russischen Propagandasenders RT (früher Russia Today), die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa sowie der Politiker Dmitri Rogosin teilten die Lüge über ihre Telegram-Accounts.
Der deutsche Ableger von Russia Today, RT DE, veröffentlichte das Video ebenfalls und einen Artikel dazu, der die Möglichkeit von Drogenkonsum in den Raum stellt. Genauso wie auch die russische staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti.
US-amerikanische Desinformations-Akteure wie der rechte Verschwörungstheoretiker Alex Jones und deutschsprachige Accounts, wie die prorussischen Influencer Alina Lipp, verbreiteten die Falschbehauptung ebenso.
Angesichts der großflächigen Verbreitung der Desinformation äußerte sich der Account des Élysee-Palasts, dem Amtssitz von Emmanuel Macron, auf X dazu. Er nannte die Behauptungen "Desinformation".
Unbelegte Drogen-Vorwürfe schon lange Teil der prorussischen Propaganda
Die falsche Unterstellung, die Staatschefs versuchten hier Drogenkonsum zu vertuschen, passt in das Bild, das prorussische Propaganda seit Langem zu zeichnen versucht. Narrative rund um Drogenkonsum werden von der russischen Propaganda seit Jahren eingesetzt, um die Ukraine und insbesondere den Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu diskreditieren, wie Julia Smirnova vom Center für Monitoring und Analyse (CeMAS) dem Faktenfinder der "Tagesschau" erklärte.
Die Methode und das Ziel dahinter: "Dabei werden in unterschiedlichen Variationen Falschbehauptungen wiederholt, die Selenskyj ständig in Verbindung mit einem Thema (Drogen) bringen, was starke negative Emotionen beim Zielpublikum hervorrufen soll."
Außerdem solle Selenskyj damit als nicht zurechnungsfähig dargestellt werden. Die Falschbehauptungen über Selenskyj wurden Smirnova zufolge in der Vergangenheit mit manipulierten und aus dem Kontext gerissenen Videos und Bildern vermeintlich belegt. "Diesem Muster folgt auch die Falschbehauptung über Merz, Macron und Starmer: die westlichen Staatschefs sollen damit diskreditiert und als nicht vertrauenswürdig dargestellt werden", sagt Smirnova.
Fazit
Auf Fotos und Videos, die Friedrich Merz, Emmanuel Macron und Keir Starmer im Zug nach Kiew zeigen, sind ein zerknülltes Taschentuch und ein Stäbchen zu sehen. Zweiteres ist wohl zum Umrühren für ein Getränk oder zum Aufspießen von Essen gedacht.
Vor allem prorussische Accounts verbreiten hingegen die Falschinformation, es handle sich um ein Päckchen mit Kokain sowie einen kleinen Löffel zum Konsumieren der Droge. Solche Lügen sollen die Regierungschefs diskreditieren.
Zum Video: Unterstützung für Ukraine
Bundeskanzler Friedrich Merz mit Amtskollegen beim Gedenken in der Ukraine
Quellen
Presseanfrage bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa)
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