Nach der geplatzten Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht hat die SPD eine neue Kandidatin benannt: die Juristin Sigrid Emmenegger. Das geht aus einem gemeinsamen Schreiben der parlamentarischen Geschäftsführer von SPD und Union, Dirk Wiese und Steffen Bilger, an die Fraktionen hervor. Emmenegger, die seit 2021 Richterin am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ist, soll demnach am 26. September im Plenum zur Wahl gestellt werden.
Verwaltungsjuristin soll Fraktionsspitzen überzeugt haben
Emmenegger wurde am 4. Oktober 1976 in Freiburg geboren. Die promovierte Juristin war bereits von 2009 bis 2013 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Zudem war sie Richterin am Verwaltungsgericht Mainz und später am Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz, dessen Vizepräsidentin sie im Juli 2019 wurde.
Damit könne Emmenegger auf eine lange und erfolgreiche Praxiserfahrung an verschiedenen Verwaltungsgerichten sowie am Bundesverfassungsgericht zurückblicken, schrieben Wiese und Bilger. Die Fraktionsführungen hätten jeweils in persönlichen Gesprächen "ein sehr positives Bild von Emmenegger gewinnen können und sind von ihrer persönlichen und fachlichen Geeignetheit für das Amt überzeugt." Das dürfte darauf hindeuten, dass die Union die SPD-Kandidatin dieses Mal mitträgt.
Erste größere Bewährungsprobe von Schwarz-Rot
Vor der Sommerpause hatte die schwarz-rote Koalition die Abstimmung über drei Richterposten verschieben müssen, weil die Unionsfraktion in Teilen der Wahl der Potsdamer Juraprofessorin Brosius-Gersdorf nicht mehr zustimmen wollte. Einige Abgeordnete von CDU und CSU lehnten die SPD-Kandidatin unter anderem wegen deren Haltung zu Abtreibungen ab.
Brosius-Gersdorf verzichtete nach einer mehrwöchigen öffentlichen Debatte schließlich auf ihre Kandidatur. Der Vorgang hatte eine Krise in der noch jungen Koalition ausgelöst, weil die Unionsspitze ihre Zusage für Brosius-Gersdorf erst am Tag der angesetzten Wahl zurückgenommen hatte. In der SPD wird es zudem als Fehler von Kanzler Friedrich Merz bezeichnet, dass dieser die geheime Wahl eine "Gewissensfrage" genannt hatte. Dies könne künftige Abstimmungen erschweren.
SPD und Union benötigen Zweidrittelmehrheit im Bundestag
Die Richterinnen und Richter müssen mit einer Zweidrittelmehrheit vom Parlament geheim gewählt werden. Dies setzt voraus, dass die Koalition auch Gespräche mit den Grünen und der Linkspartei führt. Die CDU hat aber einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD und der Linkspartei, weshalb Gespräche mit den Linken über die SPD geführt werden müssen. Die Linken pochen als Bedingung für eine Zustimmung auf direkte Gespräche auch mit der Union und wollen bei künftigen Besetzungen für das Gericht in Karlsruhe ebenfalls berücksichtigt werden.
Insgesamt müssen drei Stellen am Bundesverfassungsgericht neu besetzt werden. Bereits nominiert sind zwei Kandidaten: auf Vorschlag der Union der Bundesarbeitsrichter Günter Spinner und auf Vorschlag der SPD die Staatsrechtlerin Ann-Katrin Kaufhold.
Kritik aus den Reihen von Grünen und Linke
Grüne und Linke, auf deren Stimmen Union und SPD bei der Wahl also angewiesen sind, reagierten am Abend reserviert auf den neuen Personalvorschlag. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte dem Magazin "Stern" (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt): "Auch uns hat ein Name für eine vorzuschlagende Person erreicht, wir werden uns jetzt zeitnah dazu austauschen. Dass man nicht auf unsere Rückmeldung wartet, ist reichlich unprofessionell angesichts der Vorgeschichte."
Die Linke-Innenexpertin Clara Bünger bemängelte im "Tagesspiegel" (externer Link, möglicherweise Bezahlschranke): "Die Koalition ist offenbar nicht diszipliniert genug, im Raum stehende Namensvorschläge bis zur Klärung aller Fragen unter Verschluss zu halten." Sie mahnte die Union, "nicht eine weitere Kandidatin aufgrund unseriöser Vorgehensweise zu beschädigen".
AfD will Personalie vorerst nicht kommentieren
Die AfD hält sich eine Unterstützung Emmeneggers offen. Parteivize Stephan Brandner sagte der "Rheinischen Post" (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt): "Wir werden die neue Kandidatin und deren Positionen sorgfältig prüfen und uns danach ein Urteil bilden. Und selbstverständlich gehen wir davon aus, dass sich Frau Emmenegger auch unserer Fraktion vorstellen wird, wenn sie dies bei anderen so handhabt."
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters
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