Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) schlägt wegen seiner Bemerkungen über das "Stadtbild" und die Migration weiter Kritik entgegen - nicht nur aus Opposition und SPD. Aus der Union erhält Merz zwar viel Zustimmung, wie zuletzt vom Nürnberger OB Marcus König (CSU). Es gibt aber auch kritische Stimmen und den Wunsch nach Klarstellung.
Merz hatte vergangene Woche gesagt, man korrigiere frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik und mache Fortschritte. "Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen." Am Montag hatte der CDU-Chef nachgelegt: "Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte."
Spahn: Bürger "sehen ja, was los ist auf den Straßen"
Unionsfraktionschef Jens Spahn sagte, die Debatte beschäftige Bürger mit und ohne Migrationshintergrund. "Die sehen ja, was los ist auf den Straßen. Wir haben ganze Stadtteile, da sieht man nur noch Männer, kaum Frauen, wenn, dann mit Kopftuch oder verschleiert. Wir haben Straßenzüge, wo Juden sich nicht trauen, Kippa oder Davidstern zu zeigen. Das hat was verändert", sagte Spahn RTL/ntv. Es gebe zudem Viertel, "in denen Schwule und Lesben sich nicht mehr zeigen, wie sie sind." Und es gebe auch Bahnhöfe und Marktplätze, an denen "junge Männer - oft ausreisepflichtig - rumlungern, die Leute anmachen, Frauen ansprechen".
Laschet kritisiert "nebulöse" Aussage von Merz
Ex-Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) hält die "Stadtbild"-Aussage für "zu nebulös". Die Unklarheit dessen, was Merz damit gemeint habe, könnte die AfD für sich nutzen, sagte der heutige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Die AfD werde bei der nächsten Bundestagswahl natürlich fragen, ob das "Stadtbild" besser geworden sei.
Merz hätte klarer formulieren können, was er gemeint habe, so Laschet. Es gehe beim Stadtbild nicht nur um Migration. Zum Stadtbild gehörten etwa auch von deutschen Süchtigen weggeworfene Drogenspritzen in Parks, Antisemiten, die Hamas-Parolen brüllten oder Rechtsradikale, die durch Straßen zögen. Auch der Chef des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, hatte sich kritisch zu Merz' Wortwahl geäußert. Viele in der Union waren dem CDU-Chef aber beigesprungen.
SPD-Chef Klingbeil: "Müssen höllisch aufpassen"
Auch vom Koalitionspartner SPD kommt Kritik: "Diese schwammige Sprache ist gefährlich, weil sie Raum für Ressentiments öffnet – und damit die AfD und ihre Ideologie beflügelt", sagte der SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic dem "Stern". Das Problem sei, dass Merz als Kanzler auch für die Koalition spreche. "Ich will das als SPD-Abgeordneter, zumal als Großstadt-Kind, nicht einfach so stehen lassen", betonte Ahmetovic. Er regte zugleich an, dass sich die Koalition auf einen parlamentarischen Beschluss verständigt, um die Debatte zu rationalisieren.
SPD-Chef Klingbeil mahnte: "Wir müssen als Politik auch höllisch aufpassen, welche Diskussion wir anstoßen, wenn wir auf einmal wieder in wir und die unterteilen, in Menschen mit Migrationsgeschichte und ohne." Er wolle in einem Land leben, "bei dem nicht das Aussehen darüber entscheidet, ob man ins Stadtbild passt oder nicht".
Grüne sprechen von AfD-Rhetorik
Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek warf Merz vor, er instrumentalisiere Frauen für "blanken Rassismus". "Wenn Frauen nachts allein nach Hause laufen, haben sie keine Angst vor Migranten, sie haben Angst vor Männern. Das Problem ist eine gewalttätige und grenzüberschreitende Männlichkeit", sagte Reichinnek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Grünen-Fraktionsvize Misbah Khan kritisierte: "Merz schlägt Töne an, wie wir sie sonst von der AfD hören." Statt Brücken zu bauen, spalte Merz die Gesellschaft.
Nürnbergs OB springt Merz bei
Rückendeckung für Merz kommt unterdessen aus Nürnberg, OB König (CSU) sprang dem CDU-Chef bei. "Wir brauchen Migration. Wir brauchen Menschen, die hier gerne arbeiten, die hier gerne leben, die gerne ihre Zukunft hier verbringen", sagte König im Bayern-2-Interview. "Aber keiner will doch auch Menschen haben, die unsere Gesellschaft mit ihrer kriminellen Vorgehensweise auch gefährden." Es gehe nicht um diejenigen, die seit Jahren in Deutschland lebten. "Sondern es geht um Menschen, die wir versuchen, seit Jahren mit allen Möglichkeiten abzuschieben, weil sie entweder Straftäter sind oder ihren Aufenthalt verwirkt haben."
Die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg kritisierte die Aussagen. Er sei "etwas verwundert", dass König Merz verteidige, so der Allianz-Vorsitzende Stephan Doll. Er betonte, wie wichtig ein friedlicher und solidarischer Zusammenhalt als Stadtgesellschaft sei.
Im Audio: Interview mit Nürnbergs OB König zur "Stadtbild"-Debatte
Marcus König, Oberbürgermeister von Nürnberg (CSU)
Mit Informationen von AFP und dpa
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